Wahlprüfstein Bundestagswahl 2025
Deutscher Hanfverband
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Wie beurteilen Sie das von der Ampel-Regierung umgesetzte Cannabisgesetz, nach dem nun der legale Besitz und Eigenanbau von Cannabis sowie Anbauvereine möglich sind?
Gemessen am früheren Cannabis- Verbot ist das Gesetz ein großer Fortschritt. Gemessen an dem, was möglich und notwendig gewesen wäre, ist das Gesetz ein Desaster. Seine Ausgestaltung ist so praxisfern und ängstlich, dass es viele Folgeprobleme verursacht.
Die absurden Einschränkungen für die Clubs und die realitätsfernen Konsumeinschränkungen in der Öffentlichkeit zeigen, dass das Prohibitionsdenken auch bei diesem Gesetz noch vorgeherrscht hat. Die Möglichkeit für die Länder, die Clubs de facto tot zu regulieren, führt heute zu dem von uns prognostizierten Flickenteppich. Noch immer gibt es nur wenig Zugang zu legal produziertem Cannabis. Das Ziel der Bekämpfung der organisierten Kriminalität ist damit nicht erreicht worden.
All diese Probleme sind nun Wasser auf die Mühlen für die Menschen, die die Teil-Legalisierung wieder ganz zurückdrehen möchten. Daher droht der gute Ansatz durch die schlechte Umsetzung letztlich zunichte gemacht zu werden.
Die Linke steht weiter bereit, eine konsequente Legalisierung von Cannabis zu unterstützen.
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Welche Änderungen am geltenden Cannabisgesetz schlagen Sie vor? Nennen Sie ggf. die wichtigsten Punkte.
Die Ampel hat eine umfassendere Cannabis-Legalisierung mit Verweis auf EU-Recht gar nicht erst in Angriff genommen. Eine offizielle Notifizierung, also eine Einschätzung, wie weit das mit geltendem EU-Recht machbar ist, ist allerdings gar nicht erfolgt. Es gab Hinterzimmergespräche und dann die Teillegalisierung, die wir heute sehen. Hier hätte die Regierung bereits mutiger sein sollen.
Die Möglichkeiten für die Länder, die Clubs mit Auflagen faktisch zu verhindern, müssen deutlich verringert werden. Auflagen wie die Höchstzahl an Mitgliedern lehnen wir ab, weil sie das Misstrauen gegenüber Cannabis-Konsumierende fortsetzen. Wir kritisieren auch die Abstandsregelungen zu Spielplätzen, Schulen etc., da sie in der Praxis kaum rechtssicher zu handhaben sind, weil sie Repressionsmöglichkeiten für die Länder und Kommunen eröffnen und weil sie ohne Not polizeiliches und behördliches Personal binden.
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Befürworten Sie wissenschaftliche, regional und zeitlich begrenzte Modellprojekte zur kommerziellen Produktion und Abgabe von Cannabis z.B. in Fachgeschäften für Erwachsene, wie sie z.B. derzeit in der Schweiz laufen? Halten Sie eine Obergrenze für die Teilnehmerzahl für erforderlich?
Nach Auffassung der Linken sollten Modellprojekte nicht mehr notwendig sein. Die wissenschaftlichen Expertisen, politischen Argumente und internationalen Erfahrungen sind für uns ausreichend, Cannabis sofort umfassend zu legalisieren. Die dafür notwendigen Änderungen bei den internationalen Suchtstoffabkommen (oder der bedingte Austritt Deutschlands) sowie EU-Rechts-Änderungen müssen jetzt angegangen werden.
Bis dahin sind Modellprojekte eine willkommene Krücke, den legalen Bezug in Deutschland zu normalisieren. Sie werden aber Probleme hervorrufen, die eine flächendeckende Legalisierung nicht hätte. So ist ein Konsumtourismus absehbar, der die Evaluation der Projekte verfälscht. Eine Begrenzung der Teilnehmerzahl halten wir nicht für notwendig.
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Wie stehen Sie grundsätzlich zur vollständigen Legalisierung von Cannabis, also einer bundesweiten, vollständigen Regulierung des existierenden Cannabismarktes mit Fachgeschäften wie z.B. in Kanada? Halten Sie dies für EU-Recht-konform?
Die Linke will seit langem eine umfassende Legalisierung von Cannabis, auch mit Fachgeschäften. Wir wollen auch Cannabis-Social-Clubs als nichtkommerzielle Möglichkeit fördern. Wir wollen dabei den Gesundheitsschutz und den Jugendschutz als staatliche Aufgaben betonen und treten ebenso wie bei Alkohol- und Tabakwaren für ein Werbeverbot ein.
Wie weit die einzelnen Staaten der EU gehen können, ist noch nicht offiziell ausgereizt worden. Wir sind daher dafür, ein weitreichendes Legalisierungsgesetz in Brüssel vorzulegen und auszutesten, wie weit die EU-Regelungen ausgelegt werden. Nur ein solches Verfahren würde wohl auch eine EU-weite Debatte um die notwendigen Rechtsänderungen anstoßen. Die Ampel ist stattdessen in vorauseilendem Gehorsam eingeknickt. Sie hat ihr eigenes Vorhaben letztlich zurechtgestutzt und selbst davon nur einen Teil tatsächlich umgesetzt.
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Wie beurteilen Sie die aktuellen Regelungen im Verkehrsrecht bzgl. Cannabis (Grenzwert, MPU, Sanktionen etc)? Welche Änderungen schlagen Sie ggf. vor?
Das Verkehrsrecht wurde lange missbraucht, um die verfassungswidrige Null-Toleranz-Politik gegenüber Cannabis-Konsumierenden durch die Hintertür fortführen zu können. Wir haben sehr begrüßt, dass mit der Einführung des 3,5ng-Grenzwerts endlich ein halbwegs realistischer Höchstwert geregelt wurde, der erstmals gemacht wurde, eine mögliche Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit anzuzeigen. Auch die Gleichstellung mit Alkohol bez. Abhängigkeit oder mehrfachem Verstoß entspricht einer langjährigen Forderung der Linken. Nun ist darauf zu achten, dass diese Regelungen wirklich in den Ländern so angewendet werden, dass sie ausschließlich der Verkehrssicherheit dienen und nicht unsachgemäße Schikane darstellen.
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Trotz der kürzlich beschlossenen gesetzlichen Grundlage für Drug Checking Modellprojekte gibt es bisher kaum Angebote. Wie beurteilen Sie Drug Checking grundsätzlich? Wie möchten Sie ggf. Drug Checking in der Praxis fördern/realisieren?
Drugchecking ermöglicht nicht nur, gesundheitliche Schäden durch Verunreinigungen, Beimengungen (z.B. synthetische Cannabinoide) oder unerwartete Wirkstoffkonzentration (z.B. bei Opiaten) zu vermeiden. Es ist auch sehr wichtig, um überhaupt eine realistischen Überblick über die kursierenden Drogen auf dem Schwarzmarkt zu erhalten, um bei besonders gefährlichen Chargen Warnungen herausgeben und um Menschen für Präventionsarbeit erreichen zu können.
Drugchecking ist zusammen mit Maßnahmen der Schadensreduktion (z.B. Drogenkonsumräume, flächendeckende Substitutionsbehandlung u.v.m.) für uns eine Voraussetzung dafür, unter den Bedingungen des illegalen Marktes wenigstens ein Minimum an Gesundheitsschutz zu erreichen.
Die Linke fordert ein flächendeckendes Drugchecking-Angebot, das idealerweise in einer Kombination von stationärem und aufsuchendem (z.B. in Szene-Hotspots oder Party-Settings) Analyseangeboten eingerichtet wird. Die Linke beantragt jährlich in der Haushaltsberatung, dass Drugchecking-Initiativen auch durch den Bund gefördert und mitfinanziert werden müssen.
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Sind Sie für die Entkriminalisierung aller Drogenkonsumenten (z.B. durch die Einstellung von Strafverfahren bei bundeseinheitlich geringen Mengen oder eine Herabstufung zur OWI)?
Die Linke hat seit vielen Jahren die Entkriminalisierung von Drogenkonsumierenden gefordert. Dazu gehören zum Beispiel bundeseinheitliche geringe Mengen aller häufig konsumierten Drogen, bei denen von der Strafverfolgung bzw. der Verurteilung im Regelfall abgesehen wird. Das Handeln mit Drogen, insbesondere die Abgabe an Minderjährige, wollen wir weiter strafbar halten.
Die Linke sieht die Verbotslogik in der Drogenpolitik als gescheitert an. Viel zu viele Schäden entstehen durch die Illegalisierung und durch die Förderung der organisierten Kriminalität und die Bindung von Kapazitäten der Polizei und der Gerichte. Schlechte Produktqualität hat teilweise schlimmere gesundheitliche Auswirkungen als es die reine Droge hätte. Es gibt auf dem Schwarzmarkt keinen Verbraucherschutz, keinen Jugendschutz, keinen Zugang zu sinnvoller Risikoaufklärung, keine soziale Kontrolle.
Drogenkonsum ist Teil unserer Gesellschaft und lässt sich durch Verbote nicht wirksam reduzieren. Stattdessen wollen wir den Konsum sicherer machen, das Risikobewusstsein fördern und einen funktionierenden Jugend- und Verbraucherschutz einführen.
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Welche drogenpolitischen Initiativen gab es von Ihrer Fraktion in der aktuellen Legislaturperiode? (Bitte listen Sie Anträge, Anfragen etc. konkret und mit Link auf, damit wir Ihre parlamentarische Arbeit besser einschätzen können!) Welche Initiativen planen Sie in der nächsten Legislaturperiode?
In der nächsten Legislaturperiode ist ein Rückfall in eine veraltete und überwunden geglaubte Drogenpolitik zu befürchten. Bei aller Kritik an der Ausgestaltung des Cannabisgesetzes wird es darum gehen, dass Konsumierende von Cannabis oder illegalisierten Drogen nicht wieder durch eine Null-Toleranz-Politik sozial und gesundheitlich geschädigt werden. Wir wollen weiter einen starken Fokus auch auf die legalen Drogen Tabak und Alkohol legen, die immense Schäden in der Gesellschaft anrichten. Daneben sollen auch Verhaltenssüchte, die heute aufgrund der vorherrschenden Normen kaum als Problem wahrgenommen werden, thematisiert werden, z.B. Arbeitssucht und Konsumsucht.
Die erbetene Auflistung der drogenpolitischen Initiativen schicken wir Ihnen in einem separaten Dokument.