Wahlprüfstein Bundestagswahl 2025
Seebrücke
1
Fluchtrouten & Seenotrettung
Wie positionieren Sie sich zur Kriminalisierung ziviler Seenotrettung und welche Maßnahmen befürworten Sie, um sicherzustellen, dass humanitäre Helfer*innen nicht strafrechtlich verfolgt werden?
Das Mittelmeer ist durch die Abschottungspolitik der EU zu einem Massengrab für Schutzsuchende geworden. Das ist ein Skandal, der viel zu häufig einfach hingenommen wird. Zivile Seenotrettungsorganisationen tun, was die Staatengemeinschaft der EU sträflich versäumt: Sie retten Leben. Ihre Arbeit muss stärker unterstützt und darf nicht behindert oder gar kriminalisiert werden, wie es insbesondere durch die rechte italienische Regierung geschieht. In den EU-Richtlinien bzw. Verordnungen muss klargestellt werden, dass die humanitäre Seenotrettung und Verbringung der Geretteten in "sichere Häfen" in der EU keinesfalls als Straftat gewertet werden darf - denn dies entspricht internationalen Verpflichtungen. Die Kooperation der EU mit der libyschen „Küstenwache“, um Geflüchtete auf ihrem Weg nach Europa zu stoppen und ins Elend zurückzubringen, muss beendet werden. Erforderlich sind zudem sichere Fluchtwege für Schutzsuchende und eine staatlich organisierte zivile Seenotrettung.
2
Asylverfahren
Wie stellen Sie eine zügige und umfassende Prüfung, zuverlässigen Zugang zu Beratung, Vertretung, Übersetzung und Anwält*innen, insbesondere im Transitbereich sicher?
Die Linke lehnt die geplanten Grenzverfahren, Schnellverfahren in Transitzentren oder so genannten "Hotpots" entschieden ab. Sie bedeuten eine Kriminalisierung und Entrechtung von Schutzsuchenden. Unter Haftbedingungen an der Grenze sind keine fairen Asylverfahren möglich. Insbesondere fehlt es in solchen Einrichtungen an einem niedrigschwelligen Zugang zu unabhängigen Beratungsstellen, helfenden Nichtregierungsorganisationen und kompetenten Rechtsanwält*innen. Das ist angesichts der Zumutungen eines Grenzverfahrens allerdings umso wichtiger, um Rechte effektiv geltend machen zu können. Auch eine gute medizinische Versorgung und qualitätsgesicherte Übersetzungen sind an den Grenzen nur sehr eingeschränkt möglich. Nach einem Asylgesuch an der Grenze, einer Registrierung und gegebenenfalls Erstversorgung von Schutzsuchenden müssen diese einreisen können und Zugang zu einem regulären Asylverfahren in der EU erhalten.
3
Dezentralität von Kommunen- und Stadtverwaltung
Wie stellen Sie sicher, dass Städte und Kommunen autonome Entscheidungsmöglichkeiten haben, was die Aufnahmekapazität betrifft und wie unterstützen Sie sie dabei?
Die Linke setzt sich dafür ein, dass Städte und Kommunen bei der Aufnahme von Geflüchteten umfassend unterstützt werden. Der Bund soll die Kosten der Unterbringung vollständig übernehmen. Zudem soll ein Fonds für besonders aufnahmebereite "Willkommenskommunen" geschaffen werden, mit dem die lokale Infrastruktur gefördert wird. Das kommt allen Bewohner*innen zugute. Städte und Kommunen sollten das Recht haben, Geflüchtete zusätzlich aufzunehmen. Auch sollen sie Abschiebungen widersprechen können, wenn es um Menschen geht, die nach ihrer Auffassung ein Teil der lokalen Gemeinschaft geworden sind. Asylsuchende sollen von Beginn an privat unterkommen können, wenn ihnen das möglich ist (z.B. bei Verwandten), das würde die Aufnahmestrukturen entlasten. Ganz grundsätzlich braucht es wirksame Maßnahmen, um bezahlbares Wohnen in Deutschland für alle sicherzustellen - hierzu hat Die Linke umfangreiche Vorschläge gemacht (Mietendeckel, gemeinnütziger Wohnungsbau, Leerstand beenden usw.).
4
Aufnahmeprogramme
Unterstützen Sie Bundes- sowie Landesaufnahmeprogramme und wie stellen Sie sicher, dass die Anzahl der jeweiligen Aufnahme den verfügbaren Platz ausschöpft wird und die Umsetzung unmittelbar erfolgt?
Die Linke unterstützt Aufnahmeprogramme auf Bundes- und Landesebene. Sie stellen einen der wenigen Wege für Schutzsuchende dar, sicher nach Deutschland einzureisen. Häufig werden dabei bestehende Kontakte zu hier lebenden Verwandten oder Vereinen genutzt, um ein Ankommen zu erleichtern. Diese können bei der Unterbringung, dem Spracherwerb, der ersten Orientierung und Arbeitsuche sowie bei Behördenkontakten helfen. Davon profitieren alle.
Das von der Ampel versprochene Bundesaufnahmeprogramm (BAP) Afghanistan ist eine riesige Enttäuschung: Viel zu spät wurde es gestartet, während die Menschen in großer Angst und Gefahr vor Ort ausharren mussten. Trotz der sich verschlechternden Lage in Afghanistan wurden zusätzliche (überflüssige) Sicherheitsüberprüfungen eingebaut, die den Aufnahmeprozess in unverantwortlicher Weise verlangsamten. Im Ergebnis werden nur wenige Tausend Afghan*innen über das BAP nach Deutschland kommen können, versprochen war die Aufnahme von etwa 25.000 Menschen.
5
Schutz vulnerabler Geflüchteter
Wie stellen Sie sicher, dass besondere Schutzbedarfe von Geflüchteten gemäß EU-Aufnahmerichtlinie frühzeitig erkannt und systematisch dokumentiert werden? Wie stellen Sie Versorgungsansprüche vulnerabler Geflüchteter und die Finanzierung Psychosozialer Zentren sicher?
Die Linke fordert seit langem ein geregeltes Verfahren zur frühen Identifizierung besonders vulnerabler Personen. Die Vorgaben der EU-Aufnahmerichtlinie werden diesbezüglich nur unzureichend umgesetzt. Es bleibt häufig dem Zufall überlassen, ob besondere Schutzbedarfe zu Beginn des Verfahrens erkannt werden, um entsprechend darauf reagieren zu können. Vulnerable Geflüchtete brauchen bereits vor der Asyl-Anhörung Unterstützung, besonders geschützte Räume und Zugang zu spezialisierten Beratungsstellen oder Behandlungsangeboten.
Die Finanzierung der psychosozialen Zentren muss deutlich erhöht und berechenbar verstetigt werden. Eine Projektmittelförderung "nach Kassenlage" ist völlig unzureichend, immer wieder drohen Kürzungen im Bundeshaushalt. Dabei gibt es bereits jetzt lange Wartelisten in der psychotherapeutischen Behandlung. Die psychische Stabilisierung und Gesundung Geflüchteter ist nicht nur in derem eigenen, sondern auch im gesamtgesellschaftlichen Interesse.
6
Gesundheitl. Versorgung
Welche Maßnahmen planen Sie zum Abbau bürokrat. Hürden bei der Bewilligung von Gesundheitsleistungen & zum Schließen von Versorgungslücken durch Einführung vollwertiger Krankenversicherungskarten für Geflüchtete? Planen Sie, Sprachmittlung im Gesundheitssystem zu verankern?
Die Linke will, zusammen mit vielen Verbänden und Organisationen, das diskriminierende Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) abschaffen. Die darin enthaltenen Sonderregelungen zu einer nur eingeschränkten Gesundheitsversorgung für Geflüchtete sind ein Verstoß gegen das Menschenrecht auf Gesundheit. Sie sind mit aufwändigen Verfahren verbunden, die die Gesundheit der Menschen gefährden. Wir wollen nicht, dass im Sozialamt über die Frage medizinisch notwendiger oder rechtlich zulässiger Behandlungen entschieden wird. Geflüchtete sollen deshalb ins allgemeine Gesundheitssystem eingebunden werden und Krankenversicherungskarten erhalten. Das ist in der Praxis sogar billiger als die bürokratisch organisierte Gängelung durch das AsylbLG: Infolge nicht (rechtzeitig) behandelter Erkrankungen entstehen durch die Chronifizierung und Verschlechterung von Krankheiten erhebliche Mehrkosten. Die Sprachmittlung bei Gesundheitsleistungen ist sehr wichtig und sollte entsprechend finanziert werden.
7
Zugänge
(Wie) setzten Sie sich für die Abschaffung von Arbeitsverboten und die Integration in den Arbeitsmarkt für Menschen mit Geflüchtetenstatus ein?
Die Linke fordert, dass alle Geflüchteten von Beginn an arbeiten dürfen, wenn ihnen das möglich ist. Niemand soll darauf warten müssen, das eigene Leben in die Hand nehmen zu können. Arbeitsverbote, etwa für Menschen aus bestimmten Herkunftsländern, sind Teil einer menschenrechtswidrigen Abschreckungspolitik und lehnen wir ab. Sprachkurse sollten allen Geflüchteten offen stehen, damit die Jobsuche und Aufnahme einer Arbeit erleichtert wird. Wir wollen das diskriminierende Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen und Geflüchtete in die regulären sozialen Sicherungssysteme einbinden. Dadurch könnten auch Geflüchtete unterstützende Maßnahmen der Jobcenter zur Arbeitsvermittlung oder Weiterqualifikation in Anspruch nehmen. Geflüchtete brauchen – wie alle anderen auch – ausreichende Kinderbetreuung, um eine Arbeit aufzunehmen, der Rechtsanspruch auf Kita-Platz muss für alle, auch Geflüchtete, endlich umgesetzt werden. Die Residenzpflicht bei Asylsuchenden und Wohnsitzauflagen für anerkannte Flüchtlinge wollen wir ebenfalls abschaffen: Solche Beschränkungen der Bewegungsfreiheit behindern die Arbeitsaufnahme und damit die Integration insgesamt, wie Studien zeigen.
8
Zusammenarbeit mit Drittstaaten
Wie stehen Sie zur Zusammenarbeit mit Drittstaaten, die Abschiebungen in Herkunftsländer vereinfachen soll?
Die Linke verteidigt das individuelle Asylrecht. Während die Ampelparteien mit der GEAS-Reform drastischen Asylrechtsverschärfungen zugestimmt haben, lehnen wir
Grenzverfahren und alle Versuche der Auslagerung von Asylverfahren ab. Drittstaatenregelungen gefährden die Genfer Flüchtlingskonvention, die auf internationale Verantwortungsteilung setzt. Die Vorverlagerung der Grenzabwehr in Drittstaaten führt dazu, dass viele Geflüchtete keinen Zugang mehr zum europäischen Asylsystem finden. Oder sie werden auf gefährliche Fluchtwege gedrängt, auf denen bereits Zehntausende Menschen ums Leben gekommen sind. Die Zusammenarbeit mit Ländern wie Libyen zur Verhinderung der Flucht nach Europa ist unverantwortlich. In Libyen gibt es keine "sicheren Häfen", in die Menschen nach einer Seenotrettung gebracht werden könnten. In Libyen droht Geflüchteten Lagerinhaftierung, Misshandlung, Vergewaltigung, Sklaverei und Tod. Diese menschenrechtswidrige Kumpanei in der Abschottungspolitik muss aufhören!