Wahlprüfstein Europawahl 2024

Genoverband e.V.

1

Wie wollen Sie die Diskussion um ein EU-Einlagensicherungssystem (EDIS) lösen? In Deutschland, Spanien, Polen, Österreich und Italien verfügen Banken über eigene Institutssicherungssysteme, die sich sehr bewährt haben. Wie wollen Sie diese Systeme im Rahmen eines eu-weiten Systems erhalten?
Die Linke ist grundsätzlich für eine europäische Einlagensicherung, aber nur für Institute und Einleger*innen von Banken ähnlichen Zuschnitts und Risikoprofils in Europa. Unser Ziel wäre ein europäisches Sparkassen- und Genossenschaftsbankensystem, ähnlich den beiden Säulen in Deutschland, mit europäischer Einlagensicherung. Sparkassen und Genossenschaftsbanken sollen nicht für die Spekulationsverluste internationaler Investmentbanken geradestehen müssen.

2

Welche Bedeutung und Zukunft haben für Sie die Kapitalmarktunion und damit die Pläne den Kapitalmarktzugang für KMUs zu verbessern und als Alternative zum Bankkredit zu stärken?
Mit der Kapitalmarktunion werden die Finanzmärkte weiter dereguliert. Der Einfluss internationaler Finanzinstitutionen und Schattenbanken steigt. Risikoreiche Geschäfte nehmen zu, die Wachstum und Profit als einziges Ziel haben (z.B. private equity oder venture capital). Statt einer Kapitalmarktunion für Finanzkonzerne setzt sich Die Linke für die Neuordnung des Banken- und Finanzsektors ein. Wir wollen alle Banken zu einem Geschäftsmodell nach dem Vorbild der Genossenschaftsbanken verpflichten, dass die Bedürfnisse der Gesellschaft und der Realwirtschaft priorisiert: Abwicklung des Zahlungsverkehrs, einfache und sichere Sparinstrumente und Finanzierung öffentlicher und privater Investitionen. Dazu gehört eine stärkere Regulierung und eine strenge Finanzaufsicht von Schattenbanken. Wir kämpfen für ein öffentliches Investitionsprogramm in den sozial-ökologischen Umbau der Wirtschaft und eine Kreditvergabe nach sozialen und ökologischen Kriterien, die KMUs finanziell unterstützt.

3

Welche konkreten Maßnahmen planen Sie, um die bürokratischen Hürden in der Landwirtschaft künftig zu reduzieren? Wie planen Sie den vor- und nachgelagerten Bereich der Landwirtschaft im Hinblick auf eine Bürokratiereduzierung zu entlasten?
Der Ärger, insbesondere kleiner Höfe, über Bürokratieaufwand ist berechtigt. Bürokratieabbau in der Landwirtschaft ist aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Linke tritt dafür ein, dass es in der Erzeugerkette eine faire Gewinn- und Risikoverteilung geben muss. Landwirte brauchen vor allem verlässliche und faire Preise für Lebensmittel. In Spanien und Frankreich ist es verboten, dass Handelskonzerne Lebensmittel unter dem Produktionswert einkaufen, das kann problemlos auch in Deutschland umgesetzt werden. Preissicherheit müssen wir auch über die Gemeinsame Marktordnung der EU einführen. Gleichwohl sind verlässliche Standards ohne Auflagen und Kontrollen nicht zu haben. Und auch eine Gemeinwohlprämie setzt eine nachvollziehbare und vergleichbare Erfüllung entsprechender Kriterien voraus.
Themen: Landwirtschaft

4

Welche Ziele verfolgen Sie für die nächste Förderperiode der GAP? Wie können Erzeuger- und Vermarktungsgenossenschaften gestärkt werden?
Wir wollen eine sozialökologische Landwirtschaft im Einklang mit der Entwicklung der ländlichen Räume insgesamt. Dazu muss auch die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU nach dem Prinzip »Öffentliches Geld für öffentliche Leistungen« umgebaut werden. Agrarwirtschaft soll heute mehr leisten als Produktion von Lebensmitteln und nachwachsenden Rohstoffen. Die Gesellschaft verlangt die Einhaltung von Sozial-, Umwelt- und Tierschutzstandards, fordert eigenständige Beiträge zum Klimaschutz, zum Erhalt der biologischen Vielfalt, zur Pflege von Kulturlandschaften und mahnt faire globale Handelsbeziehungen an. Es geht um eine Agrarwirtschaft im Einklang mit natürlichen Ressourcen und funktionsfähigen Ökosystemen. Das alles setzt natürlich voraus, dass es neben einem ordnungspolitischen Rahmen auch eine geeignete Förderpolitik gibt, gerade für regionale, genossenschaftlich organisierte Erzeugergemeinschaften, dezentrale Verarbeitungskapazitäten und Eigenvermarktungsstrukturen. Landwirtschaftliche Produktion, Ökosystemdienstleistungen und ländliche Entwicklung müssen verlässlich, auskömmlich und planbar finanziert werden. Wir wollen die GAP erhalten, aber im Sinne dieser genannten Eckpunkte entwickeln.
Themen: Landwirtschaft

5

Für kleine und mittlere Akteure auf dem Energiemarkt, wie z.B. Energiegenossenschaften, sind viele Projekte nicht wirtschaftlich umsetzbar. Welche Maßnahmen wollen Sie ergreifen, damit sich die Marktsituation für diese Akteure verbessert?
Die Linke setzt sich ein für eine Versorgung mit Strom und Wärme erzeugt von Bürger*innen, Kommunen und Genossenschaften, statt von Konzernen. Wir wollen Energieerzeugung und -verteilung so dezentral wie möglich und so zentral wie nötig organisieren. Energiegenossenschaften haben vielerorts fantastische Beispiele dafür geschaffen, was etwa mit Windkraft und Solaranlagen alles möglich ist. Der Markt für Energie in der EU funktioniert nicht, weil er strukturelle Fehler hat. Das Merit-Order-Prinzip in seiner gegenwärtigen Wirkungsweise lehnen wir ab. Ein klimagerechtes Strommarktsystem muss leistungslose Übergewinne ausschließen. Sollten sie durch externe Schocks dennoch auftreten, müssen sie konsequent abgeschöpft werden und in einen Fonds fließen, aus dem Genossenschaften und Kommunen anschubfinanziert werden können, wenn sich ein konkretes Projekt als wirtschaftlich schwierig umsetzbar erweist.

6

Die direkte Beteiligung von Bürger*innen bei Windkraft-Projekten ist eine Erfolgsgeschichte - aber noch lange nicht überall sichergestellt. Wie wollen Sie die Beteiligung der Menschen vor Ort erhöhen?
Der größte Teil unserer zukünftigen Energieversorgung muss erst noch gebaut werden. Genossenschaften können dabei von erheblicher Bedeutung sein. Die Frage der Akzeptanz wird wesentlich für den Erfolg der Energiewende sein, sei es durch mehr Bürgerbeteiligung und genossenschaftliche Organisation, oder durch den unmittelbaren Nutzen durch günstige Strompreise bzw. eine verbindliche Abgabe an die Kommunen, statt oft nur freiwilliger „2-Cent-Regeln“. Die Menschen an der Küste sind nachvollziehbar sauer, wenn sie Windkrafträder vor die Nase gesetzt bekommen, ohne selbst etwas davon zu haben. Leider gibt es gerade in Küstennähe kaum Energiegenossenschaften. Die Linke will eine dezentrale Energiewirtschaft, überwiegend in öffentlicher Hand, z.B. über Stadtwerke, in Genossenschaften oder Bürgerenergieparks. Die Akzeptanz vor Ort muss erhöht werden, in dem die Einwohner*innen umfassend und frühzeitig informiert und in die Planungen einbezogen werden und Vorzüge davon haben.

7

Die EU-Kommission plant das Zahlungsziel bei Handelsgeschäften auf 30 Tage zu reduzieren. Für Einkaufsgemeinschaften wie Genossenschaften sind längere Fristen ein zentrales Anliegen. Welche Position vertreten Sie?
Die Linke begrüßte die Zielrichtung der Verordnung gegen Zahlungsverzug. Kleine Unternehmen und Soloselbständigen sind der Marktmacht der Auftraggeber oft ausgeliefert. Zahlungsverzögerungen können ihnen das Genick brechen, weil sie kein finanzielles Polster haben. Dennoch war der Kommissionsentwurf zu starr. Im Europaparlament haben wir bereits Änderungen an der Verordnung beschlossen, über die in der neuen Legislatur mit dem Rat eine Einigung ausgehandelt werden muss. Laut EP Position können die Vertragsparteien auch eine Zahlungsfrist von bis zu 60 Tagen gemeinschaftlich vereinbaren, für Saisonprodukte auch länger. Die Linke setzte erfolgreich Empfehlungen durch, verstärkt zu digitalem Rechnungswesen überzugehen und in den Mitgliedstaaten die benötigte Infrastruktur zu errichten. Öffentliche Auftraggeber müssen eine Statistik über ihre Zahlungsmoral veröffentlichen.

8

Wie wollen Sie das Thema bezahlbaren Wohnraum voranbringen und welche Rolle spielen Genossenschaften für Sie dabei?
Wir wollen verbindliche Mietobergrenzen und ein Verbot von Indexmietverträgen in der ganzen EU. Alle sagen, wir müssen „bauen, bauen, bauen“ gegen die Mietenkrise. Aber das hilft nicht, denn die Wohnungen, die gebaut werden, sind zu teuer. Wir brauchen mehr bezahlbaren Wohnraum! Ein großer gemeinnütziger Wohnungssektor hält die Mieten bezahlbar – wie etwa in Wien. Dort gehören 25% der Wohnungen der Stadt und 25% Genossenschaften. Um der Wohnungskrise entgegenzuwirken, müssen die Investitionen in den bezahlbaren, sozialen Wohnungsbau massiv ausgeweitet werden – und die Wohnungen müssen dauerhaft in der Sozialbindung bleiben. Gelder müssen auch in den Aufbau eines gemeinnützigen Wohnungssektors fließen: Das heißt Wohnraum ohne Profite von Kommunen oder Genossenschaften. Wenn Kommunen und Genossenschaften gemeinnützigen Wohnraum schaffen wollen, sind die explodierten Immobilien- und Bodenpreise der größte Kostenfaktor. Deshalb braucht es Maßnahmen, die Spekulation mit Wohnraum unattraktiv machen und Investoren abschrecken, wie zum Beispiel Mietobergrenzen.