Wahlprüfstein Europawahl 2024

Deutscher Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA Bundesverband) zusammen mit dem Hotelverband Deutschland (IHA)

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Bürokratieabbau: Wie wollen Sie konkret Unternehmen und insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) von Bürokratie entlasten und vor neuer Bürokratie schützen?
Die Linke will die bisher unübersichtliche Vielzahl von Förderprogrammen der EU zusammenlegen und den Zugang vereinfachen. Bei öffentlichen Ausschreibungen der Kommunen wollen wir lokale Unternehmen mit guten Arbeitsbedingungen bevorzugen, um regionale Wirtschaftskreisläufe zu stärken und Transportwege zu verkürzen. Das hilft vor allem kleinen und mittleren Unternehmen. Regelungen sollten übersichtlich, einfach und transparent sein, um den bürokratischen Aufwand zu begrenzen. Die zweckgerechte Verwendung öffentlicher Mittel und das Einhalten von Arbeitsschutz-, Umwelt- und Sozialstandards muss allerdings dokumentiert und überprüft werden können. Das schützt auch Unternehmen, die sich an die Regeln halten, vor unfairem Wettbewerb. Die Behörden brauchen ausreichend Personal, um Anträge zügig zu bearbeiten und bei der Antragstellung oder bei Nachfragen behilflich zu sein.

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Eigenes Budget für den Tourismus: Tourismuspolitik bedarf einer besseren ressortübergreifenden Koordinierung innerhalb der Kommission und zwischen den europäischen Institutionen. Wie stehen Sie zu einem eigenen Budgettitel für den Tourismus?
Die Linke will den regionalen Tourismus stärken. Wir setzen uns dafür ein, dass Urlaub für alle Menschen in Europa leistbar ist und dass die Beschäftigten im Tourismusbereich zu guten Löhnen und unter guten Bedingungen arbeiten. Bahn- und Busverbindungen müssen flächendeckend ausgebaut werden, damit Erholungsziele für alle gut erreichbar sind. Dafür müssen ausreichend EU-Investitionsmittel bereitgestellt werden. Ein eigenes Tourismusbudget der EU scheint uns nicht erforderlich. Vielmehr geht es um den generellen Ausbau nachhaltiger Strukturen in den Regionen. Angesichts der Klimakrise sollte Tourismuspolitik allerdings tatsächlich einen höheren Stellenwert in der EU einnehmen. Tourismus verursacht etwa acht Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen; drei Viertel dieser Emissionen werden durch die Nutzung von Verkehrsmitteln verursacht. Regionaler Tourismus trägt zum Klimaschutz bei und stärkt die Wirtschaft vor Ort.

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Hotelmeldepflicht: Nach Art. 45 Schengener Durchführungsabkommen wird von ausländischen Gästen noch immer das eigenhändige Ausfüllen und Unterschreiben von Hotelmeldescheinen erwartet. Setzen Sie sich für eine praxisgerechte Neuregelung dieser Vorschrift im digitalen Zeitalter ein?
Wir halten eine Gleichbehandlung von Gästen aus dem In- und Ausland für angemessen. Wir begrüßen im digitalen Zeitalter auch die Umstellung auf Onlineformulare. Allerdings darf dies nicht zu vermehrter Speicherung individueller Daten führen.

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Portalökonomie: Mit dem Digital Markets Act (DMA) und der Platform-to-Business Verordnung (P2B) wurden digitale Plattformunternehmen zu fairem Marktverhalten verpflichtet. Mit welchen Mitteln wollen Sie die Durchsetzung dieser Vorschriften sicherstellen?
Die großen Plattformanbieter gestalten bisher ihre Angebote intransparent im Interesse ihrer eigenen Profite. Kleine Anbieter kommen so leicht unter die Räder und die Entscheidungsfreiheit von Verbraucher*innen wird beschnitten. Die Linke setzt sich für ein Umdenken hin zu gemeinwohlorientierten Plattformen und wirklich sozialen Netzwerken ein. Wir wollen öffentliche und genossenschaftliche Plattformen für gemeinwohlorientierte Dienstleistungen fördern, beispielweise für faire Zimmervermietung. Also Plattformen, die keinen Anreiz haben, kleinere Anbieter zu benachteiligen. Algorithmen sollten offengelegt werden, um Vorschläge und Entscheidungen nachvollziehbar zu machen. Die Regulierungsbehörde benötigt ausreichend Personal, um die Regeln durchzusetzen.

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Leitungswasser: Im Rahmen der EU-Verpackungsverordnung und der EU-Trinkwasserrichtlinie wird eine verpflichtend kostenfreie Abgabe von Leitungswasser im Gastgewerbe diskutiert. Sehen auch Sie in einer derartigen Verpflichtung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die unternehmerische Freiheit?
Nein. Wir halten es für eine Selbstverständlichkeit, dass Leitungswasser kostenlos abgegeben wird. Das sollte zu gutem Service und Gastfreundschaft dazugehören, auch ohne dass es per Gesetz verordnet werden muss. Sofern Betriebe Schwierigkeiten haben, ihre Kosten zu decken, sollte man ehrlicherweise darüber sprechen und welche Abhilfe zweckmäßig sein kann. Damit Gastbetriebe gute Umsätze machen können, sind z.B. ausreichende Einkommen der Bevölkerung erforderlich. Gastwirte spüren schnell und leiden darunter, wenn die Kundschaft weniger Geld hat. Die hohe Inflation der letzten Jahre und sinkende Realeinkommen in vielen Berufen machen sich auch durch geringere Spielräume für Gaststättenbesuche und Urlaube bemerkbar. Die Linke setzt sich für gute Löhne für alle Beschäftigten ein, die für mehr als nur das Nötigste reichen. Das stärkt auch lokale Unternehmen, die auf die Kaufkraft ihrer Kundschaft angewiesen sind.

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Umweltzertifikate: Mit der Green Claims-Richtlinie soll der Markt für Umweltzertifikate in der EU neugeordnet werden. Wie wollen Sie zukünftig ausreichenden Wettbewerb auf diesem Markt sicherstellen und gewährleisten, dass Umweltzertifizierungen auch für KMU im Gastgewerbe erreichbar bleiben?
Die Linke möchte Verbraucher*innen und Unternehmen, die sich an die Regeln halten, vor unlauterem Wettbewerb schützen. Deswegen halten wir die Regulierung für richtig. Gleichzeitig setzen wir uns für angemessene Unterstützungsmaßnahmen für Kleinst-, Klein- und mittlere Unternehmen ein, damit diese nicht mit übermäßig höheren Kosten konkfrontiert sind. Wir haben deshalb im Europaparlament beantragt, dass die Mitgliedsstaaten einen regelmäßigen Austausch mit Kleinst-, Klein- und mittleren Unternehmen über Unterstützungsmaßnahmen auf regionaler und nationaler Ebene einrichten sollten. Die EU-Kommission sollte darüber hinaus finanzielle Unterstützungsprogramme für KKMU in Erwägung ziehen, die für ihre Produkte oder Tätigkeiten ausdrückliche Umweltaussagen machen wollen.

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Rauchverbote im Außenbereich: Aktuell steht die Revision der Ratsempfehlung für rauchfreie Umgebungen an. Sprechen Sie sich gegen eine Ausweitung von Rauchverboten auf Bereiche der Außengastronomie aus?
Nein. Wir halten den Schutz von Nichtraucher*innen und den Gesundheitsschutz der Beschäftigten in der Gastronomie für notwendig und sinnvoll. In irischen Kneipen und Restaurants etwa hat sich die Zahl der Beschäftigten, die über morgendlichen Husten, gerötete Augen und Halsbeschwerden klagen, nach Einführung des Rauchverbots halbiert. Beispiele aus Ländern wie den USA zeigen auch, dass das die Gastronomie nicht behindert.

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Arbeitsmobilität: Die Arbeitslosenquoten bei jungen Menschen sind in einigen EU-Ländern eklatant. Mit welchen Maßnahmen oder Anreizen wollen Sie die Arbeitsmobilität innerhalb der EU erhöhen?
Bildungs- und Ausbildungsabschlüsse müssen in Europa anerkannt werden, um Hürden abzubauen. Gute Arbeitsbedingungen und gute Bezahlung schaffen Anreize für Beschäftigte, sich zu Berufen und Unternehmen hin zu orientieren. Wichtig sind zudem ausreichend bezahlbare Wohnungen am Arbeitsort. Das stellt in immer mehr Gegenden eine große Hürde dar, um Arbeitskräfte zu gewinnen. Die Linke setzt sich für massive Investitionen in öffentlichen Wohnungsbau mit leistbaren Mieten ein. Hierzu wollen wir ein Förderprogramm der Europäischen Investitionsbank schaffen. Wir wollen auch die Kommunen dabei unterstützen, dezentral Wohnraum zu erwerben und gemeinnützig zu bewirtschaften. Die EU sollte europaweite Beratungsstellen für mobile Beschäftigte wie beispielsweise „Faire Mobilität“ des DGB dauerhaft ausreichend finanzieren.