Wahlprüfstein Europawahl 2024
My Brain My Choice Initiative
1
Befürworten Sie eine Entkriminalisierung aller Drogen, wie sie in Portugal seit 2001 praktiziert wird?
Ja. Die relative Entkriminalisierung von Drogenkonsum in Portugal war für Europa und weltweit ein Meilenstein. Dadurch wurden die Handlungsmöglichkeiten der Staaten innerhalb des UN-Vertragssystems ausgetestet und die Auswirkungen konnten gut evaluiert werden: Die Ergebnisse sprechen für sich. Die Linke fordert die Entkriminalisierung von Drogenkonsum. Mehr noch: Wir wollen für alle Drogen mittelfristig legale Bezugsquellen, damit die tödliche Spirale aus Illegalität, Verelendung und organisierter Kriminalität durchbrochen wird. Viele der drastischen Folgen von Drogenkonsum sind heute direkte Folge der Prohibition - und werden doch zur Rechtfertigung der Prohibition herangezogen. Die Debatte ist stark ideologisiert: Wir wollen klar zwischen den Auswirkungen von Substanzkonsum und der Illegalisierung unterscheiden – ohne die Substanzen zu verharmlosen. Wir fordern eine rationale und evidenzbasierte Drogenpolitik, die die Gesundheit der Menschen und die Gesellschaft bestmöglich schützt.
Themen:
Gesundheit
2
Setzen Sie sich für eine Änderung der europäischen und internationalen Verträge ein, sodass die Legalisierung des Handels von Cannabis für den Freizeitgebrauch ausdrücklich ermöglicht wird?
Die Linke setzt sich für eine grundsätzliche Revision der UN-Suchtstoffverträge ein. Bis dahin sollte ein Ausstieg "unter Vorbehalt" für Deutschland in Betracht gezogen werden, um einen vernünftigen rechtlichen Umgang mit Cannabis finden zu können. Die Verhandlungen mit der EU-Kommission in der Entstehung des Cannabisgesetzes in Deutschland waren ein Trauerspiel. Einerseits weil EU-Regelungen einer Legalisierung vermutlich entgegenstanden und das unserer Meinung nach keine EU-Aufgabe ist. Andererseits aber auch, weil die Bundesregierung die Entstehung ihres "Kompromisses" nicht transparent gemacht hat und es auf ein offizielles Notifizierungsverfahren nicht einmal hat ankommen lassen. Wir finden: Die Bundesregierung hätte es darauf ankommenlassen sollen, dass das offizielle Notifizierungsverfahren hätte scheitern können, denn das hätte europaweit Debatten hervorgerufen, die die Abschaffung von Begrenzungen im EU-Recht nach der anstehenden Wahl des EU-Parlaments erleichtert hätten.
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Gesundheit
3
Wie bewerten Sie das Verbot von Kokablättern, auch im Hinblick auf die traditionelle Nutzung durch indigene Völker? Setzen Sie sich für eine Änderung europäischer und internationaler Verträge ein, sodass der internationale Handel mit Kokablättern ausdrücklich ermöglicht wird?
Die Linke setzt sich für eine grundsätzliche Abkehr von der Verbotslogik in der Drogenpolitik ein und befürwortet selbstverständlich auch innerhalb des jetzigen Systems Ausnahmen für die traditionelle Anwendung in Lateinamerika und anderen Regionen der Welt.
Themen:
Gesundheit
4
Werden Sie sich dafür einsetzen, dass evidenzbasierte Programme (siehe z.B.: European Drug Prevention Quality Standards (EDPQS)) generalistische Öffentlichkeits-Kampagnen und Informationsvermittlung durch Polizeibeamt*innen europaweit ersetzen?
Die Linke setzt sich für einen europaweiten Paradigmenwechsel in der Drogenpolitik ein: weg von der Strafverfolgung, hin zu Prävention, Beratung und Hilfe. Nur durch eine gute Gesundheits- und Sozialpolitik können Risiken und Schäden reduziert werden. Mehrere Milliarden Euro werden aktuell für die Strafverfolgung ausgegeben, für Hilfe und Prävention nur ein Bruchteil davon. Die EU soll in ihren Mitgliedstaaten Maßnahmen unterstützen, die auf Prävention, Hilfe, Schadensminderung, Entkriminalisierung und Regulierung von Drogen setzen. Die Linke fordert seit Langem eine evidenzbasierte Drogen- und Präventionspolitik. Die Evidenz zeigt, dass Polizeibeamt*innen nach der langen Verfolgungsgeschichte nicht dafür geeignet sind, auf Wissen und Risikobewusstsein beim Drogenkonsum hinzuwirken. Im Gegensatz, wir befürworten strukturierte und gut evaluierte Kampagnen, die auf Schadensreduktion (statt nur Abstinenz) hinwirken und dabei gesellschaftliche Realitäten berücksichtigen.
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Gesundheit
5
Werden Sie sich für die Förderung der Forschung zu medizinischen Potenzialen von Cannabis, Psychedelika und anderen illegalisierten psychoaktiven Substanzen einsetzen? Unterstützen Sie die Forschung zur Behandlung bzw. Substitution mit weiteren Substanzen als Opiaten, insb. bei Kokainabhängigkeit?
Bei den medizinischen Anwendungen von Cannabis und anderen Substanzen gibt es aufgrund der langen Prohibitionsgeschichte noch immer ein Forschungsdefizit. Die Linke hat die Förderung von Medizincannabis gefordert und das Gesetz im Grundsatz unterstützt. Gleichzeitig muss es für zugelassene Arzneimittel im Interesse der Patientensicherheit einen Nachweis von Wirksamkeit und Sicherheit durch aussagefähige Studien geben. Wir fordern hier mehr staatliches Engagement bei der klinischen Forschung und letztlich eine Gleichstellung von Cannabisarzneimitteln mit anderen Arzneimitteln.
Wir wollen die Gesundheit von Drogenkonsumierenden schützen. Dazu gehört auch der legale Zugang für Menschen mit einer Abhängigkeitserkrankung zu Substanzen, die nachweislich frei von Verunreinigungen oder Streckmitteln sind und bei denen Wirkstoffkonzentration bekannt ist. Selbstverständlich brauchen die Betroffenen je nach individuellem Bedarf zusätzlich psychologische, psychosoziale und/oder medizinische Hilfe.
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Gesundheit
6
Sollten für den Konsum von Substanzen (z.B. Tabak oder Cannabis) per Erhitzung via Verdampfer (“Vaporizer”) weniger strenge Regeln gelten, als für das den Konsum per Verbrennung (klassisches Rauchen)? Was werden Sie zur Verbesserung des Nichtraucherschutzes (Tabak) unternehmen?
Die Tabaksteuer soll nach Ansicht der Linken tatsächlich steuern und sollte anhand der Schädlichkeit ausgerichtet werden. Das würde heißen, dass nikotinhaltige E-Zigaretten am wenigsten zu versteuern wären. Das könnte dazu beitragen, die tabakbedingten gesundheitlichen Schäden zu reduzieren. Klassische Rauchtabakprodukte sind am schädlichsten und sollten entsprechend hoch besteuert werden. Rauchfreie Tabakerhitzer liegen dazwischen. Für nikotinfreien Konsum sehen wir keine Notwendigkeit einer besonderen Besteuerung.
Zusätzlich fordern wir eine konsequente Umsetzung des Tabakrahmenübereinkommens. Defizite sehen wir in Deutschland insbesondere bei der Umsetzung des umfassenden Werbe-, Marketing und Sponsoringverbots und bei der Begrenzung des Einflusses der Tabaklobby auf die Politik. Den Nichtraucherschutz wollen wir bundeseinheitlich verbessern und landestypische Ausnahmen in der Gastronomie strikt begrenzen.
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Gesundheit
7
Werden Sie sich für eine strengere Regulierung des Alkohol-Marktes einsetzen? Wenn ja, inwiefern?
Alkohol und Tabak verursachen riesige Schäden in unserer Gesellschaft. Alkohol ist dabei wohl noch weitgehend unterschätzt, denn auch außerhalb der Abhängigkeit und des Rauschtrinkens schädigt es die Gesundheit auf vielfältige Weise.
Wie bei heute illegalen Drogen wollen wir keine Konsumverbote, wohl aber eine verbesserte Aufklärung (auch zur Schädigung Dritter durch Verkehrsunfälle, Gewalt, Trinken in der Schwangerschaft oder von Angehörigen alkoholabhängiger Menschen), die Förderung der sozialen Kontrolle (Besoffen sein ist nicht cool) und eine Angebotsreduktion für Brennpunkte. Wir fordern ein Werbe- und Sponsoringverbot wie bei Tabakprodukten. Mindestpreise zur Vermeidung von "Komasaufen" vor allem bei Jugendlichen sind auf Basis der internationalen Evidenz zu prüfen.
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Gesundheit
8
Setzen Sie sich dafür ein, dass die EU-Drogenpolitik die konstante Beteiligung und Mitwirkung der betroffenen Communitys und der Menschen, die Drogen konsumieren, garantiert? Setzen Sie sich dafür ein, dass die nötigen finanziellen Mittel hierzu bereitgestellt werden?
Ja, dafür setzen wir uns ein. Wir freuen uns, dass die Cannabis-Legalisierungscommunity gut organisiert und deutlich hörbar ist. Konsumierende anderer Drogen und erst recht Menschen mit Drogenproblemen haben dagegen kaum eine Lobby. Ihre Stimme muss gestärkt werden. Wir fordern mehr staatliche Unterstützung für selbstorganisierte Konsumierendengruppen und akzeptierende Drogenhilfe, denn diese Ansätze sind nah am Geschehen und in der Lage, drogenbedingte Problemfelder und den politischen Handlungsbedarf formulieren können. Suchtkranke müssen die Möglichkeit erhalten und behalten, ihr Leben und ihre Umwelt nach ihren Vorstellungen mit gestalten zu können (Selbstwirksamkeit, Adhärenz).
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