Wahlprüfstein Europawahl 2024

Polnischer Sozialrat

1

Was möchten Sie tun um EU Migrant*innen, die innerhalb der EU arbeiten, vor Lohnbetrug zu schützen und den Zugang zu Sozialsystemen zu vereinfachen?
Die Linke setzt sich dafür ein, dass Arbeitsschutzstandards und Löhne nicht durch den Einsatz von Sub- und Briefkastenfirmen unterlaufen werden. In jedem Arbeitsverhältnis muss voller Sozialversicherungsschutz ab dem ersten Tag gelten, auch für Saisonbeschäftigte. Ansprüche aus der Arbeitslosenversicherung müssen grenzüberschreitend anerkannt werden. Arbeitsschutzkontrollen müssen im Sinne der Beschäftigten ausgebaut werden. Bei Kontrollen wird in Deutschland regelmäßig Mindestlohnbetrug festgestellt, doch es wird viel zu wenig kontrolliert. Tarifverträge müssen leichter für allgemeinverbindlich erklärt werden, damit auch entsandte Beschäftigte davon profitieren. Vermittlungsagenturen müssen Mindeststandards einhalten und in gute Arbeitsbedingungen vermitteln. Wir brauchen verbindliche menschenwürdige Standards für Unterkünfte mobiler Beschäftigter. Die EU muss europaweite Beratungsstellen für mobile Beschäftigte, wie das Netzwerk Faire Mobilität, dauerhaft und ausreichend finanzieren.
Themen: Migration, Bildung

2

Innerhalb des Schengenraumes wird vermehrt kontrolliert (z.B. an der deutsch-polnischen Grenze), was zu langen Wartezeiten führt. Haben Sie ein Konzept um die Kontrollen innerhalb des Schengenraumes wieder abzubauen und Pendler*innen zu entlasten?
Die Linke lehnt Grenzkontrollen im Schengen-Raum und auch in Deutschland ab. Sie sind rechtswidrig. Die Bewegungsfreiheit im Schengen-Raum ist seit 1995 eingeführt und ein großer Fortschritt, der nicht gefährdet werden sollte. Die „stationären Grenzkontrollen“ finden vorrangig an östlichen EU-Innengrenzen statt, um Asylbewerber*innen abzuhalten. Doch Schutzsuchende dürfen nicht an den Grenzen zurückgewiesen werden. Sie müssen einen Antrag auf Asyl stellen können, egal in welchem Land sie sich befinden.
Themen: Migration, Bildung

3

Eine Großzahl von in der EU arbeitenden Migrant*innen unterstützen Angehörige in ihrem Herkunftsland durch das Überweisen von Geld. Wie möchten Sie diese Möglichkeiten dieser Rücküberweisung verbessern?
Die EU muss Kontogebühren und Gebühren für Geldüberweisungen und Währungstausch innerhalb der EU klar begrenzen. Das muss auch Überweisungen in EU-Länder außerhalb der Eurozone einschließen. Es kann nicht sein, dass Migrant*innen teils horrende Gebühren für Überweisungen innerhalb der EU zahlen müssen. Ohne eine verbindliche Regelung werden Banken nicht auf diese Gewinnquellen verzichten.
Themen: Bildung

4

Was möchten Sie tun, damit Löhne für gleiche Arbeit in multinationalen Unternehmen in Osteuropa in dieser Legislaturperiode des EU-Parlaments das Niveau westeuropäischer Löhne erreichen, anstatt künstlich niedrig gehalten zu werden und damit einen Migrationsdruck auf Fachkräfte zu erzeugen?
Die EU muss sicherstellen, dass die Mindestlohnrichtlinie wirksam umgesetzt wird: Die gesetzlichen Mindestlöhne müssen auf mindestens 60 Prozent des mittleren Einkommens in jedem Land angehoben werden und 80 Prozent der Beschäftigten müssen von Tarifverträgen geschützt werden. Wir setzen uns dafür ein, dass sich der Mindestlohn am tatsächlichen Bedarf zum Leben orientiert (Living Wage), denn längst nicht in allen Ländern reichen 60 Prozent des mittleren Einkommens zum Leben. Ein höherer Mindestlohn hebt auch das Lohngefüge insgesamt. Gewerkschaftsrechte und Tarifverträge müssen gestärkt werden, um höhere Löhne zu erreichen. Teilweise hat die EU selbst zu Lohnsenkungen und Aushöhlung von Tarifverträgen beigetragen, indem sie nach der Eurokrise in vielen Ländern Absenkungen tariflicher Standards gefordert hat. Das muss rückgängig gemacht werden. Tarifverträge müssen leichter allgemeinverbindlich werden. Europäische Betriebsräte und die Mitbestimmung in Aufsichtsräten müssen gestärkt werden.
Themen: Bildung

5

Was planen Sie, um die Anerkennung von Berufs- und Bildungsabschlüssen zwischen den EU Ländern zu fördern, damit Migrant*innen das Potenzial ihrer Qualifikationen besser ausschöpfen können?
Die Linke setzt sich für die Anerkennung von Bildungs- und Ausbildungsabschlüssen in Europa ein, um Hürden abzubauen. Wir haben das Ziel, dass vergleichbare Abschlüsse möglichst schnell anerkannt werden, damit Menschen ihre Berufe weiter ausüben können. Zuständige Länderbehörden müssen miteinander kooperieren und innerhalb angemessener Zeit verbindliche Bescheide ausstellen. Wenn Ausbildungsinhalte im ausländischen Abschluss fehlen, müssen Angebote existieren, die die fehlenden Inhalte vermitteln.
Themen: Bildung

6

Was möchten Sie tun, um dem Abbau von Rechtsstaatlichkeit, Pressefreiheit und Minderheitenrechten in EU-Ländern, wie Ungarn oder Polen zu begegnen, und wo sehen Sie die Verantwortung der deutschen Politik und Wirtschaft?
Wir wollen, dass die Lage von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechten in der EU regelmäßig länderspezifisch evaluiert wird und Verstöße durch den Europäi- schen Gerichtshof (EuGH) sanktioniert werden. Wenn Mitgliedstaaten die EU-Grundwerte nicht achten, können EU-Fördermittel gestoppt werden. Das sollte allerdings zielgenauer geregelt werden: beispielsweise dürfen Projekte im sozialen Bereich, Integrations- oder Bildungsprojekte nicht gefährdet werden. Bei gravierenden Verletzungen der EU-Grundwerte sollte dem betreffenden Staat das Stimmrecht im Rat entzogen werden. Die Politik hat dafür die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft zu setzen.
Themen: Bildung

7

Wie möchten Sie die Partizipationsmöglichkeiten von EU-Ausländer*innen in der kommunalen und nationalen Politik verbessern? Wie können bspw. lange Wartezeiten bei der Einbürgerung verbessert werden?
Wir fordern ein gemeinsames EU-Wahlrecht mit einem aktiven und passiven Wahlrecht für alle Menschen, die dauerhaft in der EU leben – entsprechend in der Kommune, Land und Bund. Jugendliche müssen stärker politisch teilhaben können. Bislang dürfen 16- und 17-Jährige nur in vier EU-Mitgliedstaaten zur Wahl des Europaparlaments gehen. Wir wollen, dass das aktive Wahlrecht in allen EU-Mitgliedsländern auf 16 Jahre gesenkt wird. Migrant*innen sollen nach fünf Jahren Aufenthalt in der Bundesrepublik automatisch einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung haben. Einbürgerungen müssen vereinfacht werden. Die geplante Reform des Staatsangehörigkeitsrechts enthält Schritte in die richtige Richtung. Jedoch möchte die Regierung die Einbürgerung verweigern, wenn aus nicht selbst zu vertretenden Gründen Sozialleistungen bezogen werden. Die Staatsbürgerschaft soll damit immer mehr vom wirtschaftlichen Status abhängen. Das ist eine drastische Verschärfung.
Themen: Bildung

8

Wie können gleiche Bildungschancen für die Kinder von EU-Bürger*innen sichergestellt und Unterricht in EU Sprachen (z.B. Polnisch) sichergestellt werden?
Die soziale Teilhabe aller bei der Nutzung der Europäischen Förderungen ist auch auf Betreiben der Linken endlich Fokus der Programmausgestaltung bei Erasmus+. Jedoch reproduziert die vorherrschende Orientierung auf höhere Bildung eine soziale Schieflage europäischer Bildungsförderung. Wir setzen uns hier für strukturelle Änderungen ein, denn Bildung muss von Anfang an gefördert werden. Hier setzen die europäischen Schulen an, deren Verwaltung verbessert werden muss und gerechte Bezahlung entsandter Lehrer*innen endlich realisiert sein muss. Trotz der Kritiken am Ist-Zustand ist der Modellcharakter, insbesondere für mehrsprachigen Unterricht unübersehbar. Europäische Schulen sind das EU-geförderte Angebot, das Kindern, die mit ihren Eltern im europäischen Ausland leben, ermöglicht, muttersprachlichen Unterricht (z. B. auch Polnisch) zu erhalten, auch wenn dies weder Amts- noch Regionalsprache des Mitgliedstaates ist. Mitgliedstaaten sollten hier eine weitere Ergänzung dieser Schullandschaft prüfen, wenn entsprechend große Communitys im Zuge von Fachkräfte- und Saisonmigrationen innerhalb der EU (z. B. Polen in Irland) entstanden sind.
Themen: Bildung