Wahlprüfstein Europawahl 2024

TERRE DES FEMMES e.V.

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Mehrheitlich angenommener Initiativbericht (2022/2139(INI)) im Europäischen Parlament. Befürworten Sie die Position und Ziele dieses Berichts? Falls ja, welche Maßnahmen planen Sie zur Umsetzung in Ihrem Mitgliedstaat? Bei Ablehnung, welches sind Ihre Gründe?
Wir unterstützen vorbehaltlos die im Bericht geforderte rechtliche Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die Rechte und die körperliche Unversehrtheit von Frauen zu schützen und die Gleichstellung der Geschlechter und die Vielfalt zu fördern. Die Linke fordert, die Kriminalisierung und Stigmatisierung von Prostituierten/Sexarbeiter*innen zu beenden. Gemeinsam mit den Verbänden sind ausgehandelte, gesetzlich zu verankernde Mindeststandards (beispielsweise bezüglich Sicherheit, Hygiene oder Miethöhe) für die unterschiedlichen Arten von Prostitutionsstätten einzuführen. Die Selbstorganisation der Sexarbeiter*innen, freiwillige Beratungs-, Umschulungs- und Fortbildungsangebote müssen gestärkt werden. Darüber hinaus fordern wir eine gute Gesundheitsversorgung und soziale Rechte für alle, die in der Prostitution/Sexarbeit tätig sind (z. B. Anspruch auf Sozialleistungen, sozialversicherte Beschäftigung und die Einbeziehung in eine Solidarische Erwerbstätigenversicherung). Eine vom Bericht abweichende Position haben wir zur Forderung, „dass es unter Strafe gestellt werden soll, eine sexuelle Handlung von einer Person gegen ein Entgelt, das Versprechen eines Entgelts, die Gewährung eines geldwerten Vorteils oder das Versprechen eines solchen Vorteils anzufordern, anzunehmen oder zu erhalten“. Dazu verweisen wir auf unsere ausführliche Begründung zu Frage 3.

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In den Änderungen der EU-Richtlinie zur Bekämpfung des Menschhandels wird im Erwägungsgrund die Kriminalisierung des Sexkaufs beschrieben, um den MH zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung wirksamer zu bekämpfen. Was werden Sie veranlassen, damit dieser Erwägungsgrund in nationales Recht umgesetzt wird?
Bekämpfung von Menschenhandel ist für uns eines der zentralen Themen der Innenpolitik. Rein repressiv, auf Strafverfolgung ausgerichtete Konzepte ignorieren aber häufig die Folgen für die Opfer von Menschenhandel. Priorität hat für uns ein sicheres Aufenthaltsrecht für Betroffene, die finanzielle Förderung von Unterstützungsstrukturen, ein kostenfreier Rechtsbeistand, psychologische und medizinische Behandlung, Entschädigungsleistungen, Zugang zu sozialen Leistungen und Bildungsangeboten. Dazu gehört u.a. ein Bleiberecht für die Opfer unabhängig von der Bereitschaft, in Strafverfahren gegen die beteiligten Menschenhändler und Ausbeuter auszusagen. Auf Menschenhandel beruhende Sexarbeit findet verdeckt statt und kann nicht im Rahmen von anlasslosen Kontrollbesuchen in Haushalten oder ähnlichem aufgedeckt werden. Das schränkt die Möglichkeiten einer Strafverfolgung stark ein. Daher ist auch hier eine Stärkung von Beratungs- und Hilfsstrukturen unabdingbar. Die Opfer müssen gleichzeitig die Sicherheit haben, keine Daten von Klient*innen an Behörden herausgeben zu müssen. Der Schutz der Betroffenen steht an erster Stelle. Der größte Risikofaktor für Menschenhandel ist immer noch Armut. Deshalb wollen wir Menschenhandel an der Ursache bekämpfen: Armut schaffen wir u.a. durch ein europäisches Mindesteinkommen, soziale Mindeststandards sowie eine europäische Erwerbslosenversicherung ab.

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Was werden Sie dafür tun, dass das Nordische Modell EU-weit umgesetzt wird, um Prostituierte vor Gewalt zu schützen und Ihnen den Ausstieg zu ermöglichen, wenn dies gewünscht ist? Welche weiteren Maßnahmen ziehen Sie in Erwägung, um Gewalt gegen Prostituierte einzudämmen?
In der Linken werden unterschiedliche Wege diskutiert, mit Prostitution politisch umzugehen. Einig sind wir uns darin, dass wir die Kriminalisierung und Stigmatisierung von Sexarbeiter*innen ablehnen. Wir fordern, einen Anspruch auf Sozialleistungen und sozialversicherte Beschäftigung, auf Umschulung, Weiterbildung und Fortbildung sowie freien Zugang zu gesundheitlicher Versorgung und das Recht, sich selbst zu organisieren. Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft müssen bekämpft werden, ohne die Betroffenen zu kriminalisieren und zu stigmatisieren! Solange die Betroffenen keinen sicheren und eigenständigen Aufenthaltsstatus erhalten, sind die Täter durch die Angst der Opfer geschützt. Aufenthaltstitel, Schutz und Entschädigung müssen unabhängig von der Bereitschaft der Opfer, als Zeug*in in einem Strafverfahren auszusagen, gewährt werden! Für die Betroffenen fordern wir Therapiemittel, medizinische sowie psychologische Betreuung, Rechtsbeistand und Rechtshilfe, Zugang zu sozialen Leistungen und Bildungsangeboten. Dazu gehört auch der EU-weite Ausbau von psychotherapeutischer Versorgung sowie die Etablierung von Psychotherapie als Kassenleistung. Die Istanbul-Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt muss in allen Mitgliedstaaten vorbehaltlos umgesetzt wer- den.

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Prostitution ist ein grenzüberschreitendes Phänomen, das Frauen objektiviert und ihnen sexuelle Verfügbarkeit unterstellt. Wie gedenken Sie als politische VertreterIn auf europäischer Ebene einen Perspektivwechsel zu fördern, der ein gleichberechtigtes Europa schafft?
Als LINKE stehen wir für einen Feminismus, der an die Wurzeln geht. Der Kapitalismus ist mit der einhergehenden Entwertung unbezahlter (Care-)Arbeit eine maßgebliche Stütze des Patriarchats – und andersherum. Das heißt für uns zuallererst, Geld, Arbeit und Zeit zwischen den Geschlechtern gerecht zu verteilen. Frauen erhalten im Durchschnitt niedrigere Löhne und dann auch weniger Rente. Dem wollen wir mit einer Entgelttransparenzrichtlinie, einem Europäischen Mindesteinkommen sowie einer europäischen Mindestrente entgegenwirken. Wir setzen uns für kürzere Arbeitszeiten in ganz Europa ein, damit mehr Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern entsteht. Wir schlagen dafür eine Verkürzung auf etwa 30 Stunden pro Woche (4-Tage-Woche) vor: bei vollem Lohn- und notwendigem Personalausgleich. Dann können mehr Männer unbezahlte Sorgearbeit übernehmen. Sorgearbeit muss finanziell und sozial aufgewertet werden: Mit besserer Bezahlung und guten Arbeitsbedingungen werden Sorgeberufe (wie Pflege und Erziehung) attraktiver (etwa für Männer, die ihren Job in der Industrie verlieren). Das ist auch eine Antwort auf den Fachkräftemangel. Die Istanbul-Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt muss in allen Mitgliedstaaten vorbehaltlos umgesetzt werden. Diese Konvention beinhaltet auch Maßnahmen, zur Bewusstseinsschaffung für Geschlechtergerechtigkeit.

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KEINE EU-Richtlinie gegen Vergewaltigung durch die Weigerung einiger Mitgliedstaaten, darunter DE. Wie gedenken Sie sich aktiv dafür einzusetzen, dass Frauen EU-weit vor Vergewaltigung geschützt werden? Und welche Schritte planen Sie, um dies in der Revision der Richtlinie in 5Jahren zu verwirklichen?
Die zustimmungsbasierte Definition von Vergewaltigung („Nein heißt Nein“) ist bereits im Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen („Istanbul-Konvention“) vorgeschrieben, die in allen Mitgliedstaaten vorbehaltlos umgesetzt werden muss. Obwohl Gewalt gegen Frauen ein bekanntes Problem ist, fehlen immer noch circa 14 000 Frauenhausplätze. 2022 musste jede vierte Frau ihren Aufenthalt im Frauenhaus teilweise oder vollständig selbst bezahlen. Die Linke fordert dagegen eine flächendeckende kostenlose Versorgung für von Gewalt betroffene Frauen mit Schutzräumen, Beratungsangeboten und psychologischer Begleitung. Gewalt gegen Frauen ist Ausdruck & Folge einer gesellschaftlichen Abwertung und Unterdrückung von Frauen, von hierarchischen und patriarchalen Geschlechterverhältnissen. Gleichberechtigung auf allen Ebenen voranzubringen, steht für uns in Verbindung mit Kämpfen für gute Arbeit und Löhne, für Umverteilung gesellschaftlichen Reichtums und (Sorge-)Arbeit, für sexuelle und geschlechtliche Selbstbestimmung, gegen Ausbeutung und Ausgrenzung und gegen Antifeminismus. Zum Beispiel durch verbindliche Anti- Sexismus-Regelungen im öffentlichen und privaten Sektor, das Beenden von Lohndiskriminierung in Europa und soziale Absicherung für alle Frauen durch europäischen Mindestlohn, Mindestrente und kürzere Arbeitszeiten bei vollem Lohnausgleich.

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Wie wollen Sie verhindern, dass in Europa mit Leihmüttern und Kindern ein kommerzielles Geschäft betrieben wird, von dem einige der Beteiligten – Kliniken, Vermittlungsagenturen und Wunscheltern – maßgeblich profitieren während die ungleichen Machtverhältnisse Leihmütter und Kinder benachteiligen?
Wir sehen Leihmutterschaft insgesamt kritisch. Eine Lockerung des Verbots für nicht-kommerzielle Leihmutterschaften könnte ein Türöffner für einen Markt für Schwangerschaften sein: Der Weg von einer Aufwandsentschädigung hin zu einem „Preis“ ist nicht weit. Wir wollen das Gesundheitssystem insgesamt am Gemeinwohl ausrichten und Gewinnentnahmen aus Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen verbieten.

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In den Änderungen der EU-Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels wird zum ersten Mal erzwungene Leihmutterschaft als Form von Menschenhandel genannt. Wie lässt sich diese Änderung im nationalen Recht berücksichtigen?
Was für kommerzielle Leihmutterschaften gilt, gilt noch vielmehr für erzwungene und muss juristisch durchgesetzt werden. Wir sehen Leihmutterschaft insgesamt kritisch. Eine Lockerung des Verbots für nicht-kommerzielle Leihmutterschaften könnte ein Türöffner für einen Markt für Schwangerschaften sein: Der Weg von einer Aufwandsentschädigung hin zu einem „Preis“ ist nicht weit. Wir wollen das Gesundheitssystem insgesamt am Gemeinwohl ausrichten und Gewinnentnahmen aus Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen verbieten.

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In vielen EU-Ländern haben ungewollt schwangere Personen keinen sicheren Zugang zu kostenfreien Schwangerschaftsabbrüchen. Welche konkreten Schritte planen Sie, um einheitliche europäische Lösungen für ungewollt schwangere Personen zu schaffen?
Überall in der EU muss ein sicherer und kostenloser Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen gewährleistet sein. Wir wollen die reproduktive Rechte in der EU stärken. Alle Einschränkungen des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch in den Strafgesetzbüchern der EU-Mitgliedsländer müssen abgeschafft werden. Bündnisse für sexuelle und körperliche Selbstbestimmung sollen finanziell unterstützt werden. Wir fordern kostenfreie Empfängnisverhütung (inklusive „Pille danach“) für alle.