Wahlprüfstein Europawahl 2024

D64 – Zentrum für Digitalen Fortschritt

1

Alle nicht-personenbezogenen und nicht als Verschlusssache eingestuften Daten von Institutionen der Europäischen Union und ihrer öffentlich geförderten Projekte sind grundsätzlich so zu veröffentlichen, dass sie der Öffentlichkeit kostenfrei zur Verfügung stehen (Open Data by Default).
Ja, diese Forderung teilt die Linke, unter der Einschränkung, dass auch Geschäftsgeheimnisse öffentlicher Institutionen gewahrt bleiben sollten, solange sie sich in einer Konkurrenzsituation zu privaten Anbietern befinden, die keiner Open-Data-Anforderung unterliegen. Die perspektivische Forderung für den gesellschaftlichen Umbau ist also, dass alle Marktteilnehmenden Open Data praktizieren müssen. Geschäftsgeheimnisse dürfen nicht länger als Ausreden für das eigennützige Zurückhalten von Informationen herhalten und einer inklusiven Wissensgesellschaft im Wege stehen. Das gelingt jedoch nur, wenn diese Regel für alle Marktteilnehmenden gleichermaßen gilt. Im übrigen lehnen wir die Auffassung von Daten als Eigentum ab und wollen die Einhaltung des 5-Sterne-Modells für Open Data erreichen.

2

Forschungsergebnisse, die durch Mittel der Europäischen Union finanziert werden, sind grundsätzlich so zu publizieren, dass sie der Öffentlichkeit kostenfrei zur Verfügung stehen (Open Access).
Ja. Die Ergebnisse öffentlich finanzierter Forschung müssen öffentlich zugänglich sein. Es darf nicht sein, dass die Ergebnisse öffentlich geförderter Forschung patentgeschützt sind und teuer von der Öffentlichkeit zurückgekauft werden müssen.

3

Jede:r hat ein Recht auf Verschlüsselung von Daten und Netzen. Digitale Verschlüsselungstechniken sind zum Schutz der Grundrechte unverzichtbar, das Recht auf ihre Anwendung ist verfassungsrechtlich geboten. Regelungen, die ein Aushebeln der Vertraulichkeit der Kommunikation bedeuten, lehnen wir ab.
Ja. Die Linke setzt sich seit jeher gegen jegliche Bestrebungen der EU und nationaler Regierungen ein, Ende-zu-Ende-Verschlüsselung (E2E) zu kriminalisieren oder diese abzuschwächen. Denn die Möglichkeit von E2E-Verschlüsselung ist essenzieller Bestandteil des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung und ihre Umgehung ist schlichtweg verantwortungslos sowie gefährlich. Auch das Auslesen von E2E-verschlüsselter Kommunikation auf Endgeräten durch Spähsoftware oder Staatstrojaner (Quellentelekommunikationsüberwachung, Onlinedurchsuchung) lehnen wir generell ab. Es ist ein Sicherheitsrisiko, da dafür Schwachstellen in der Software gezielt offengehalten werden – was auch Kriminelle nutzen können.

4

Aufgabe aller staatlicher Institutionen - inklusive Sicherheitsbehörden - ist es, IT-Sicherheitslücken dem Hersteller zu melden und bei der Behebung zu unterstützen, nicht, sie auszunutzen.
Ja. Das Offenhalten von IT-Sicherheitslücken durch staatliche Institutionen gefährdet die IT-Sicherheit aller. Denn sie können auch von Geheimdiensten oder Kriminellen ausgenutzt werden: Ein erhebliches Risiko für Verbraucher*innen, Unternehmen und auch die Politik. Sie gefährden z.B. kritische Infrastruktur und das absichtliche Offenhalten von Sicherheitslücken ist niemals verhältnismäßig. Der Schaden kann um ein Vielfaches über dem erwarteten Nutzen durch die beabsichtigten Überwachungsmaßnahmen liegen. Für Sicherheitsbehörden darf es deshalb, auch unter Berücksichtigung ihrer Ermittlungs- u. Aufklärungsarbeit, keinerlei Ausnahmen geben. Den An- und Verkauf sowie das Ausnutzen von Sicherheitslücken in IT-Systemen durch Geheimdienste, Polizeibehörden etc. wollen wir verbieten. Sie müssen im Interesse aller geschlossen werden. Das ist gleichzeitig effektive Prävention und trägt zum erhöhten Schutz vor Cyberangriffen durch Kriminelle oder ausländische staatliche Akteure bei.

5

Für alle Institutionen und Einrichtungen der EU werden verbindlich Open-Source-Software (OSS), offene Schnittstellen und Datenformate vorgeschrieben. Dafür soll die Förderung solcher Software, bspw. durch Finanzierung, ausgebaut werden.
Ja, wir fordern Open-Source, offene Schnittstellen und -Datenformate als verbindlich für alle Entwicklungsaufträge der öff. Hand, von kommunal bis EU. Auch für genutzte IT-Dienstleistungen muss diese Forderung gelten, und die Umsetzung mit einer konsequenten Ausstiegs-Strategie aus proprietären Anwendungen organisiert werden. Das Einkaufsvolumen der öff. Hand ist enorm und würde Open-Source-Entwickelnden und Dienstleistenden neue finanzielle Spielräume eröffnen, ebenso wie ein Ausbau der Förderprogramme. Bezogen auf Clouds muss der Einstieg in die Angebote von nichteuropäischen privaten Konzernen unbedingt gestoppt und Open Source-Alternativen wie GAIA-X gefördert werden. Ohne eine konsequente Transparenzoffensive zur Offenlegung des Wirtschaftslobbyismus auf EU-Institutionen wird sich das Ruder jedoch kaum herumreißen lassen. Zum Begriff Open Source zählt die Linke im übrigen auch Anforderungen wie eine Referenzimplementierung und aktive Communityarbeit.

6

Desinformation - insbesondere unterstützt durch künstliche Intelligenz - stellt eine große Gefahr für die Demokratie dar. Die EU soll mehr Initiative gegen Desinformation ergreifen, u.a. durch Gelder zur Förderung von Digital Literacy.
Ja. Durch die massive Zunahme von Desinformation, Deep Fakes, aber auch durch sog. Halluzinationen von Anwendungen Künstlicher Intelligenz (bzw. „Informationsverschmutzungen“) können die Demokratie und der gesellschaftliche Frieden gefährdet werden. Videos, Audio-Aufnahmen und Bilder können überzeugend und häufiger ohne breites Vorwissen gefälscht werden, sodass eine Unterscheidung zwischen Richtig und Falsch immer schwieriger wird. Die Linke fordert daher mehr Maßnahmen gegen Desinformation, z.B. eine stärkere Medienbildung statt mehr Zensur, damit unsere Gesellschaft resilienter wird. Es braucht einen umfangreichen Kompetenzerwerb für alle, damit Informationen eingeordnet und auf deren Wahrheitsgehalt überprüft werden können.

7

Für Arbeitnehmer:innen soll ein Recht auf Nichterreichbarkeit durch den Arbeitgeber außerhalb der Arbeitszeit gelten.
Ja. Wir unterstützen ausdrücklich das Recht auf Nicht-Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeit und auf einen Feierabend, der tatsächlich für Erholung, Familie und Freizeit da ist. Die zunehmene Belastung in der Arbeit sowie ständige Erreichbarkeit gefährden die Gesundheit und das Sozial- und Familienleben. Wir brauchen eine Entlastung in der Arbeit - und den klaren Schutz außerhalb der Arbeitszeiten. Das sollte auch auf EU-Ebene klargestellt werden.

8

Addictive Design auf Online-Plattformen muss eingegrenzt werden. Dafür soll ein übergreifendes Regelwerk für alle Mechanismen und Designelemente geschaffen werden, die die Entscheidungsfindung von insb. minderjährigen Nutzer:innen im digitalen Raum beeinflussen.
Ja, allerdings ist eine Regulierung auf dieser Ebene nicht ausreichend, auch weil addictive Design schwer messbar ist und eine Regulierung viele Schlupflöcher hinterlassen wird. Die Linke hinterfragt grundsätzlicher, woher das Problem mit addictive Design eigentlich kommt: Es ist Merkmal profitorientierter Geschäftsmodelle des datengetriebenen Plattformkapitalismus. Diesen lehnt die Linke grundsätzlich ab, auch gerade aus diesem Grund. Onlineplattformen und insbesondere soziale Medien können nur dann wirklich sozial sein, wenn sie gemeinwirtschaftlich betrieben werden, so wie es schon heute auf Mastodon oder Wikipedia funktioniert. Konsequente Förderung von Open-Source und Commons, sowie von nichtkapitalistischen Geschäftsformen für den Betrieb der Infrastruktur sind das wirksamste Mittel gegen addictive Designs. In jedem Fall wäre eine Begrenzung der Regulierung von addictive Design auf Minderjährige als Zielgruppe nicht ausreichend.