Wahlprüfstein Europawahl 2024

BAK

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Wie werden Sie die Handlungsfelder Klimaanpassung und Grüne und Blaue Infrastruktur qualifiziert in die Städte- und Förderpolitiken der EU integrieren?
Linke Abgeordnete haben sich schon in den vergangenen Legislaturperioden für eine soziale und klimagerechte EU-Förderpolitik eingesetzt. Die EU fördert unter dem Label "Klimaneutrale Wirtschaft und krisenfesteres Europa" Energieeffizienz, erneuerbare Energien und nachhaltige städtische Mobilität. Für umweltfreundlichere Städte, Erprobung und Bereitstellung innovativer Lösungen für grüne und blaue Infrastruktur, biologische Vielfalt und Hochwasserschutzmaßnahmen stehen Mittel bereit. Das muss zusammen mit einem sozial gerechten Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft Priorität erhalten. Die EU muss die Städte und Kommunen dabei unterstützen, Klimaanpassungsmaßnahmen durchzuführen und Städte klimagerecht umzubauen. Denn Starkregenfälle und Trinkwasserknappheit werden häufiger. Urbane Hitzeinseln sind eine Gefahr für die Gesundheit und das Leben, besonders für Menschen, die im Freien arbeiten, Kinder auf Spielplätzen und alte Menschen. Alle Städte und Kommunen sollten verpflichtet werden, Hitzeaktionspläne und Starkregengefahrenkarten zu erstellen. Wichtig sind Flächenentsiegelung, Gebäudebegrünung und Ausweitung von Grün- und Schattenflächen.

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Wie planen Sie, die Rahmenbedingungen für Architektinnen und Stadtplaner zu verbessern, sodass die Nutzung erneuerbarer Energien, der Einsatz nachhaltiger Materialien sowie die Berücksichtigung der Grauen Energie in der Architektur und Stadtplanung besser integriert werden können?
Der Gebäudesektor ist für einen Großteil der CO2-Emission verantwortlich und hat einen hohen Ressourcenverbrauch. Die Linke fordert deshalb eine Rohstoffwende. Die kann nur gelingen, wenn mehr genutzte Ressourcen wieder in die Produktion eingespeist werden und so eine Kreislaufwirtschaft entsteht. Falsches Streben nach unbegrenztem Wachstum hat in eine Wegwerfgesellschaft geführt, und das insbesondere beim Bauen. Die Linke fordert deshalb klare Vorgaben an Bauwirtschaft und Stadtplanung: Wir müssen Lösungen im Bestand priorisieren und nachhaltige Baustoffe mit möglichst langer Lebensdauer einsetzen. Mindestens müssen (Bau)Produkte recyclefähig sein, damit wir wertvolle Rohstoffe wieder in den Kreislauf zurückführen können. EU-Fördermittel und Vergabekriterien müssen diese Grundsätze berücksichtigen. Zukunftsfähige Berufsausbildungen in relevanten Fachbereichen müssen theoretische und auch technische Kenntnisse über eine solche Kreislaufwirtschaft vermitteln. Weiterbildungen in diesen Bereichen sollten ebenfalls förderfähig sein.

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Wie können Urheberrecht und geistiges Eigentum in Zeiten von KI geschützt und gleichzeitig der Zugang zu KI-basierten Planungstools für Architektur- und Stadtplanungsbüros gewährleistet werden?
Hier geht es sowohl um die Nutzung von KI als auch um das vorherige Trainieren der Programme: Beim Schutz von Werken, die mit Unterstützung von KI erzeugt worden sind, sollte der Output eines KI-Systems für sich genommen nicht den Schutz einer menschlichen Schöpfung genießen. Gleichwohl sollte die Verwendung von KI als Hilfsmittel dem Schutz menschlicher Werke aber nicht entgegenstehen. Der geltende Rechtsrahmen sollte dies aus unserer Sicht gewährleisten, falls sich in der Praxis Probleme zeigen, wären Klarstellungen erforderlich. Andererseits muss bei der Verwendung von geschützten Werken zum Trainieren generativer KI-Systeme die bestehende Regelung zum maschinenlesbaren Rechtevorbehalt endlich praktisch umgesetzt werden, so dass diese Nutzung nicht gegen den Willen der betroffenen Kreativen stattfinden kann. Es muss eine Rechtsgrundlage geschaffen werden für eine angemessene Vergütung derjenigen, deren Werke zum Trainieren verwendet worden sind. Zu beachten ist außerdem, dass der Output einer KI bei hinreichender Ähnlichkeit zu Werken, auf denen sie trainiert worden ist, immer noch für sich genommen eine Rechtsverletzung darstellen kann. Bei der Entwicklung und beim Einsatz von KI-basierten Tools müssen daher hinreichende Transparenz und natürlich Rechtskonformität sichergestellt sein.

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Wie planen Sie, ethische Rahmenbedingungen für den KI-Einsatz in der Architektur zu verankern und einen gerechten, transparenten Umgang mit KI zu gewährleisten?
Wir begrüßen, dass mit der Europäischen KI-Verordnung Anfang 2024 Regeln und Anforderungen für einen ethischen KI-Einsatz in Europa verbindlich festgeschrieben wurden. Allerdings kritisieren wir zahlreiche Gesetzeslücken und Rechtsunsicherheiten, die einen grundrechtskonformen, sicheren und ethischen Einsatz von KI teilweise verhindern können. Das betrifft im Bereich Architektur beispielsweise die Regelungen zur biometrischen Fernüberwachung. Zahlreiche Bürgerrechts-Organisationen fordern die Bundesregierung bereits auf, bei der deutschen Umsetzung der KI-Verordnung nachzuschärfen und entsprechend dem Koalitionsvertrag die sogenannte "Gesichtserkennung" vollständig zu verbieten. Wir unterstützen dieses Anliegen und möchten auch Akteure der Stadtplanung und Architektur dafür sensibilisieren, dass biometrische Erkennungsverfahren eine Gefahr für die Einhaltung der Grundrechte darstellen. In der Stadtplanung sehen wir hingegen Potenziale für den ethischen Einsatz von KI, sofern für das Training der Systeme offene und nicht-personenbezogene Daten genutzt werden und KI dazu beiträgt, Verkehrsflüsse ökologisch sinnvoll zu planen oder auch Wege und Zugänge für Menschen mit Behinderungen, Kinder oder alleinerziehende Eltern zu erleichtern.

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Wie planen Sie, das Vergabeverfahren zu vereinfachen, angemessene Schwellenwerte für Planungs- und Bauleistungen festzulegen und das Kriterium der Regionalität für einen CO2-neutralen Kreislauf stärker zu berücksichtigen?
Die Linke setzt sich auch auf EU-Ebene schon lange dafür ein, dass CO2-Neutralität, Recyclebarkeit, soziale Absicherung das Beschäftigen, gute Arbeitsbedingungen, einschließlich Tariftreue, ebenso wie die Bevorzugung lokaler und regionaler KMU als Vergabekriterien in Ausschreibungen stärker betont werden dürfen. Auch in der Förderpolitik sollten sie weiterhin und stärker berücksichtigt werden. EU-Vergaberecht sollte auch insofern abgeändert werden, als dass öffentliche Daseinsvorsorge ohne Zwang zu Profitmaximierung nicht die Ausnahme, sondern die wünschenswerte Regel wird und Kommunen als Träger der öffentlichen Daseinsvorsorge in ihrer Funktion der gemeinnützigen Bereitstellung von Gütern nicht behindert werden.

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Wie planen Sie, die mittelstandsfreundliche Vergabe nach Gewerken zu stärken?
Wir setzen uns dafür ein, dass die Vergabe von öffentlichen Aufträgen nach regionalen, sozialen und ökologischen Kriterien erfolgt - das ist zumeist im Interesse des Mittelstands. Die Anwendung vergaberechtlicher Regelungen findet konkret und oft auf kommunaler Ebene statt. Ob Aufträge einzeln oder als Gewerk vergeben werden, hängt unter anderem von der Höhe des Gesamtumfangs des Auftrags ab, denn entsprechend der Schwellenwerte muss keine, vereinfachte oder bis hin zu europaweiter Ausschreibung erfolgen. Auf EU-Ebene setzen wor uns für praktikable, zugleich Transparenz-fördernde europäische vergaberechtliche Regelungen ein. Das heißt unter anderem Überprüfung der de-minimis Schwellenwerte, Lockerung des Zwangs europaweiter Ausschreibungen für öffentliche größere Aufträge bzw. Kriterien, nach denen lokale, kleine und mittelständische Anbieter bei der Vergabe bevorzugt werden können, sofern sie auch Nachhaltigkeit und sozial gerechte Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten belegen.

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Wie planen Sie, freiberuflich Tätige, Soloselbstständige und Kleinstunternehmen zu fördern, übermäßige Bürokratie einzudämmen und Berichtspflichten zu minimieren?
Die Linke achtet insbesondere bei der Gesetzgebung über die EU-Kohäsionspolitik, also die Strukturfonds, darauf, dass EU-Förderung nicht nur die Big-Player unterstützt sondern die am meisten zurückgebliebenen oder in einer so genannten Entwicklungsfalle steckenden Regionen, sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen und eben auch reiberuflich Tätigen, Soloselbstständigen, Kleinstunternehmen und KMU. Es gibt bereits EU-Leitlinien , die Tarifverhandlungen von Soloselbstständigen ermöglichen, indem sie vom Wettbewerbsrecht ausgenommen sind. Das begrüßen wir. Es braucht zusätzlich eine europäische Regelung zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Soloselbstständige. Auftraggeber*innen sollen auch für sie Sozialversicherungsbeiträge zahlen müssen und branchenweite Mindesthonorare geregelt werden. Die Linke setzt sich auch dafür ein, dass EU-Fördermittel leichter zugänglich werden. Wir sind für die Anwendung sogenanntet Vereinfachter Kostenoptionen bei den EU-Strukturfonds. Das bedeutet, dass bei vielen Arten von EU-geförderten Projekten zunehmend mit Förderpauschalen pro Teilnehmer*in statt einzelnen Rechnungsbelegen gearbeitet werden kann. Schließlich kann auch darauf geachtet werden, dass bundesdeutsche oder Ländergesetzgebung nicht zusätzliche unnötige Bürokratiehürden verursacht. Die Einhaltung von ökologischen, sozialen und Beteiligungs-Kriterien für die Vergabe von EU-Fördermitteln muss allerdings auch sinnvoll überwacht werden.

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Wie setzen Sie sich dafür ein, dass Architektur- und Stadtplanungsleistungen nur von denjenigen durchgeführt werden, die über eine entsprechende berufliche Qualifikation verfügen?
Bei der Stadt- und Regionalplanung müssen verschiedene Berufsgruppen zusammenarbeiten mit jeweils sich ergänzendem Fach- und Praxiswissen, neben Ingenieur*innen und Architekt*innen sind das u. a. Umweltexpert*innen, Expert*innen für soziale Integration und Inklusion oder für digitale Dienstleistungen, Landschafts- und Verkehrsplaner*innen ... . Die Ausbildungsanforderungen dafür sind sehr unterschiedlich und unterschiedlich streng geregelt. Selbstverständlich spielen bei einigen Berufen unter anderem Aspekte der Bau- und öffentlichen Sicherheit, Gesundheitsschutz oder Datenschutz im öffentlichen Raum eine Rolle, das muss gewährleistet bleiben. Doch auch Quereinsteiger*innen und Menschen aus Drittstaaten sollten bei entsprechender Berufserfahrung und Bedarf in Planungsteams vertreten sein. Interdisziplinarität, wie sie die "Neue Europäische Bauhaus" Initiativen voranbringen, unterstützen wir ausdrücklich (https://new-european-bauhaus.europa.eu/index_en?prefLang=de).