Wahlprüfstein Europawahl 2024
Deutscher Angelfischerverband e.V.
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Eine halbe Million organisierte Angler sind aktive Naturschützer an den deutschen Gewässern. Die Verordnung zur Wiederherstellung der Natur wird zukünftig eine große Rolle spielen.
Wie sehen Sie dabei die Rolle der Angler und wie möchten Sie diese bei der Umsetzung der Verordnung einbinden?
Der Wert und das Potential aktiver Anglerinnen und Angler für den Gewässerschutz wird in der Politik und der Verwaltung oft unterschätzt. Sie sollten in die Erarbeitung lokaler Schutzmaßnahmen eingebunden und auf ihre Erfahrung und Expertise zurückgegriffen werden. Hier ist mehr Dialogbereitschaft der planenden Behörden sinnvoll.
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Unsere Gewässer befinden sich in keinem guten biologischen Zustand, besonders in Hinblick auf den Erhalt/Wahrung der Biodiversität. Ursachen liegen hier auch mit im ungenügenden Prädatorenmanagement.
Welche Maßnahmen zum aktiven Schutz der Fischfauna erachten Sie in dieser Hinsicht als sinnvoll?
Die Wasserrahmenrichtlinie muss konsequent umgesetzt werden. Der Schadstoffeintrag in die Gewässer muss minimiert und die Gewässerverbauung reduziert werden. Eine Studie des Leibnitz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei hat ergeben, dass an Wasserkraftanlagen durchschnittlich 22,3 Prozent der Fische getötet oder potenziell tödlich verletzt werden. Fließgewässer müssen wieder in einen Zustand gebracht werden, dass Fische darin wandern und damit die Bestände sich erholen können. Der Kormoran hat Einfluss auf gefährdete Fischarten wie die Äsche und den Aal. Deshalb sollte der Kormoranbestand reguliert und in Anhang II der EU-Vogelschutzrichtlinie aufgenommen werden.
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Europäische Vorgaben (bspw. COM(2022) 304) sehen eine Ausweitung von Schutzgebieten vor. In der nationalen Umsetzung Deutschlands resultierten daraus häufig Nullnutzungszonen.
Wie bewerten Sie die Effektivität von Nullnutzungszonen und welche Alternativen sehen Sie?
Schutzgebiete sorgen erwiesenermaßen für eine Zunahme der Vielfalt und Anzahl von Lebewesen. Zu Nullnutzungszonen gibt es derzeit keine wissenschaftlichen Untersuchungen. Um 30 Prozent der Flächen als Schutzgebiete auszuweisen, muss Akzeptanz hergestellt werden, erst recht, wenn zehn Prozent der Flächen gar nicht genutzt werden sollen. Ein Kompromiss, der die Bevölkerung und die bisherigen Nutzerinnen und Nutzer mitberücksichtigt, könnte beispielsweise darin liegen, dass bestimmte Abschnitte eines Schutzgebiets zu Nullnutzungszonen erklärt werden, jedoch niemals ein ganzer See, ein ganzer Wald oder andere zur Freizeitgestaltung genutzte Flächen.
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Für Aal, Dorsch und Lachs bestehen aktuell Fangverbote/Fangbegrenzungen für die Angelfischerei, obwohl der gegenwärtige Zustand der Bestände nachweislich andere Ursachen hat (bspw. Habitatverlust, Eutrophierung).
Halten Sie die momentanen Einschränkungen für einen effektiven Lösungsansatz?
Nein, die momentane Regelung ist unfair und scheint uns nicht zielführend. Die EU verbietet das Angeln auf Aal, jedoch bleibt Fischerei außerhalb einer Schonzeit erlaubt und sogar Glasaale dürfen laut EU-Verordnung 2023/194 "zu anderen Zwecken" als Besatzmaßnahmen gefangen werden - sprich zum Verzehr. Die EU schont hier Markt und Fischereiwirtschaft, verbietet hingegen viel weniger starke Eingriffe durch Angler. Das ist auch demotivierend für die Mitglieder von Angelvereinen, die ehrenamtlich Besatzmaßnahmen durchführen und sich für den Erhalt der Bestände einsetzen. Eine bürgernahe und demokratische EU, wie sie Die Linke will, setzt für die Menschen und den Schutz unserer Umwelt ein, statt große Unternehmen zu schonen.
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Die Angelfischerei hat an Küstengebieten häufig eine höhere Bedeutung in der Wertschöpfung als die Berufsfischerei. In der Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) wird sie bisher aber nicht gleichrangig behandelt.
Wie werden Sie sich für eine Gleichbehandlung der Freizeitfischerei einsetzen?
Wir werden uns nicht für eine Gleichbehandlung einsetzen. Das Angeln sollte als selektive Fangmethode, sowie aufgrund seiner sozialen, rekreativen Funktion und seiner wirtschaftlichen Bedeutung deutlich bevorzugt werden. Meeresangeln und Fischerei haben wenig gemeinsam: Geangelte Dorsche, die zu klein oder für die Reproduktion wichtig sind, können schonend von der Angel gelöst und zurückgesetzt werden, dabei überleben neun von zehn zurückgesetzten Dorschen. Ein Fischereischleppnetz hingegen kann das Leben eines ganzen Meeresabschnitts zerstören und räumt nahezu alles ab, weshalb der Fischerei im Jahr 2024 zwangsläufig 127 Tonnen Dorsch als Beifang erlaubt werden. Wenn vor diesem Hintergrund das Angeln, aber nicht die Schleppnetzfischerei verboten wird, ist das erneut ein Zeichen der absoluten Wirtschaftshörigkeit der EU. Die Linke ist für ein Verbot der Grundschleppnetzfischerei und für eine Anhebung von Bag-Limits auf ein sinnvolles Maß, das den Angeltourismus sicherstellt, der laut staatlichem Thünen-Institut an den Küsten jährlich 185 Millionen Euro einbringt.
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Angler haben bei der Heranführung von Kindern und Jugendlichen an die aktive Naturschutzarbeit und die Vermittlung von gesellschaftlichen Werten eine hohe Verantwortung.
Wie schätzen Sie den gesellschaftlichen Wert der Arbeit der organsierten Angelfischer ein?
Angelvereine haben einen hohen gesellschaftlichen Wert, sowohl durch die Pflege und Hege von Gewässern als auch mit ihrer Nachwuchsarbeit. Bewegung im Freien, das Erlernen von biologischen Zusammenhängen und von Verantwortung für Lebewesen sind wichtig für Kinder und Jugendliche. Die Linke ist deshalb für eine weitgehende Absenkung der Hürden und eine Harmonisierung oder wenigstens eine Vereinfachung der Zugangsregelungen. Kinder sollten im Rahmen von vereinsorganisierten Veranstaltungen wie Ferienkursen oder unter Aufsicht ihrer fischereiberechtigten Eltern ohne Einschränkungen angeln dürfen.
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Die Reduktion von Nährstoffeinträgen in die Ostsee ist dringend erforderlich, um das gefährdete Ökosystem und seine Bewohner zu schützen.
Welche strategischen Maßnahmen wird ihre Partei ergreifen, um die Ostsee zu schützen?
Der zu hohe Nährstoffeintrag in die Ostsee hat zu einer Eutrophierung des Gewässers und der Entstehung einer der weltweit größten Totzonen am Meeresboden geführt, die vom Umweltbundesamt auf bis zu 84000 km² geschätzt wird. Dass es so weit kommen konnte ist auch ein Ergebnis der jahrelangen Untätigkeit der letzten Bundesregierungen. Vor vier Jahren hat der Europäische Gerichtshof im Klageverfahren der EU-Kommission gegen Deutschland die unzureichende Umsetzung der Nitratrichtlinie in Deutschland verurteilt, erst drohende Strafzahlungen haben zu mehr Bewegung geführt. Die Linke hat die Verwaltungsvorschrift zur Ausweisung von mit Nitrat belasteten und eutrophierten Gebieten begrüßt und fordert ein ausreichend kontrolliertes und verursachergerechtes Düngemanagement.
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In DE gibt es ca. 7.300 Wasserkraftanlagen (WK). Der Anteil der Bruttostromerzeugung aus WK liegt bei ca. 3%. Die Kleine WK hat ein unverhältnismäßig hohes Schädigungspotential.
Was unternehmen Sie, um den Anteil der Kleinen WK zugunsten der Artenvielfalt und Gewässerentwicklung zu reduzieren?
Die Linke im Bundestag fordert seit vielen Jahren eine deutliche Reduzierung der Kleinwasserkraftwerke. Sie leisten einen verhältnismäßig kleinen Beitrag zur Energiewende, richten dabei aber erheblichen Schaden an. Sie sollten aus der Förderung gestrichen werden, wie es Wirtschaftsminister Habeck mit der EEG-Novelle auch vorhatte, bevor er vor der Wasserkraftlobby aus Bayern und Baden-Württemberg eingeknickt ist. Allgemein werden laut einer Studie des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei 22,3 Prozent der Fische bei der Passage von Wasserkraftanlagen getötet oder schwer verletzt. Hier müssen dringend fischschonende Alternativen entwickelt und herkömmliche Turbinen angepasst werden.