Wahlprüfstein Europawahl 2024
Vereinigung Deutscher Auslandsbeamter (VDAB)
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Wie möchte Ihre Partei die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU im Jahr 2029 (auch institutionell) ausgestaltet sehen?
Wir setzen auf Abrüstung, Demokratie und friedliche Außenpolitik. Konflikte um Einfluss, Bodenschätze und Absatzmärkte nehmen in der Welt zu. Die EU sieht derzeit als einzige Antwort Aufrüstung und „Abschreckung“. Das führt aber nicht zu Frieden und Sicherheit, sondern zu einer Welt des Schreckens: Krieg, Elend und Flucht.
Die GASP muss aus unserer Sicht zivil sein, sich auf diplomatische Konfliktlösung und Interessenausgleich konzentrieren. Die EU sollte vermittelnd, nicht eskalierend wirken.
Konkrete Schritte wären u.a. eine verstärkte Waffenexportkontrolle u.a. durch die strikte Anwendung des rechtsverbindlichen Gemeinsamen Standpunkts (2008/944/GASP) von 2008.
Keine weiteren Rüstungsetats im EU - Haushalt, die nach unserer Auffassung durch Art 41.2 VEU sogar verboten sind, bzw. die Umwidmung bestehender Haushaltslinien (EVF, ASAP, EDIP etc.). Stattdessen internationale Abrüstung und Investitionen in Entwicklung und friedliche Konfliktlösung. Die Unterzeichnung und Ratifizierung des Atomwaffenverbotsvertrags. Wir setzten uns für das Ziel Global Zero im Bereich Atomwaffen ein.
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Wie sieht aus Sicht Ihrer Partei eine zukünftige Arbeitsteilung zwischen Auswärtigem Amt (AA) und dem Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) aus und sollten aus Sicht Ihrer Partei langfristig mehr Kompetenzen von den nationalen diplomatischen Diensten an den EAD abgegeben werden?
Wir haben den EAD von Beginn an kritisch gesehen, vor allem auch aufgrund seiner Einrichtung als als unabhängiges/losgelöstes Konstrukt was weder durch nationale noch durch das Europaparlament demokratisch kontrolliert werden kann. Der EAD stellt sich als intransparent dar auch weil mit seiner Einrichtung Planung und Programmierung vieler Politikbereiche im EAD zusammengefasst wurden, so beispielsweise Entwicklungspolitik, Außenhandel und Sicherheits-und Verteidigungspolitik. Wir sehen darin eine Unterordnung vieler Programme unter rein (geo-) strategische (Sicherheits-) Interessen der EU. Die direkte institutionelle Verzahnung des EADs mit militärischen EU -Strukturen lehnen wir ebenfalls ab. Daraus ergibt sich, dass wir gegen eine Kompetenzverschiebung hin zum EAD sind.
Themen:
Außenpolitik
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Wie stehen Sie zur Schaffung eines Europaministeriums, wie sollte es vom AA abgegrenzt werden und was würde dann mit den Kolleginnen und Kollegen im AA geschehen, die zurzeit im AA Europa-Angelegenheiten betreuen?
Auch aufgrund der (oben genannten) unterschiedlichen und teilweise verschwimmenden Ausrichtung und Aufgabenaufteilen auf nationaler und EU Ebene sehen wir derzeit keine Notwendigkeit und Möglichkeit eines Europaministeriums. Die Kompetenzabgrenzungen und Zuständigkeiten wären sehr komplex.
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Möchte Ihre Partei die Anzahl abgeordneter nationaler Sachverständiger in das Europäische Parlament, die Europäische Kommission und insbesondere im EAD aus dem Auswärtigen Amt erhöhen und wenn ja, wie möchte sie die Attraktivität der Abordnung erhöhen?
Nein, wir sehen das skeptisch. Die allgemeine Diskussion innerhalb des Europaparlament geht eher in die entgegengesetzte Richtung. Man spricht sich überwiegend für nicht von Mitgliedsstaaten entsandte Mitarbeiter:innen im Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) aus - auch um eine vermeintliche Unabhängigkeit des EADs zu stärken. Da wir den EAD, wie beschrieben, grundsätzlich kritisch in seiner Ausrichtung sehen, ist dies für uns keine prioritäre Forderung.
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Wie möchte Ihre Partei die Krisenpräventionsarbeit der EU stärken und die externen EU-Projektmittel von u.a. EAD DG ECHO und DG NEAR besser mit der Arbeit und den Mitteln der nationalen diplomatischen Dienste, wie die Mittel der Abteilung S des AA, verbinden?
Wir sind für die Aufstockung humanitärer Hilfe und Beibehaltung der Grundsätze „Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Neutralität“. Es sollte nicht weiter auf vermeintliche Synergien zwischen Zivil und Militär verwiesen werden. Stattdessen sollen Katastrophenschutzkapazitäten, national wie europäisch, massiv aufgestockt werden. Es bedarf eines ständigen Kontingents professionellen Zivil- und Katastrophenschutzes, das auch bei Katastrophen in Drittstaaten entsandt werden kann.
Die EU-Krisenprävention und den Bereich der externen Finanzinstrumente, insbesondere des NDICI (Instrument für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit), sehen wir kritisch. Es erfolgt u.a. eine "Versicherheitlichung" der Entwicklungspolitik. Ein Schwerpunkt des NDIC liegt im Bereich Migration. Die Verknüpfung von EWZ (Entwicklungszusammenarbeit) und Migrationsabwehr ist für uns inakzeptabel. Die Bekämpfung von Fluchtursachen rückt in den Hintergrund. Zudem ist, wie schon beim Instrument für Stabilität, die Aus- und Weiterbildung von Polizei und Militär enthalten. Die vermeintliche „Flexibilität“ der Projektmittel führt zu weniger demokratischer Kontrolle. Im NDICI sind Ausgaben für zivile Krisenprävention und Friedenskonsolidierung nicht mehr prioritär.
Themen:
Migration,
Sicherheitspolitik
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Tritt Ihre Partei für eine Annäherung der Bundesbesoldung an die Besoldung der EU-Beamten, die deutlich höher ausfällt, ein?
Generell treten wir für eine faire, angemessene und gleiche Besoldung/ Entlohnung für gleiche Arbeit/ Kompetenz auf europäischer Ebene ein (gleicher Lohn für gleiche Arbeit). Die Beschäftigung außerhalb des Herkunftslandes erfordert z.T. besondere (Sprach)Qualifikation oder ist mit persönlichen und familiären Härten verbunden. Daher sind wir mit einer pauschalen Aussage hier zurückhaltend.
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Welche Rolle sieht Ihre Partei für die EU in den externen Dimensionen der Migrations- und Klimapolitik vor und wie will sie die externe Dimension dieser beiden Politiken mit klassischer Außenpolitik und der Arbeit der nationalen diplomatischen Dienste verknüpfen?
Wir lehnen die aktuelle Migrations- und Asylpolitik der EU entschieden ab. Die sogenannte Reform des GEAS (Gemeinsame Europäische Asylsystems) stellt für uns defacto die Abschaffung des individuellen Rechts auf Asyl und die Genfer Flüchtlingskonventionen dar. Wie in Antwort 5 beschreiben, werden u.a. EWZ (Entwicklungszusammenarbeit) Gelder für Migrationsabwehr missbraucht und nicht für die Bekämpfung der tatsächlichen Ursachen benutzt. Es wird eine Externalisierung der EU-Außengrenzen durch Abkommen mit autokratischen Regimen betrieben, bei der schwere Menschenrechtsverletzungen billigend in Kauf genommen werden. Wir setzen uns für eine andere EU-Migrationspolitik ein, im Fokus stehen dabei auch legale Fluchtwege und zivile Seenotrettung. Insbesondere bei diesen Dimensionen können nationale diplomatische (konsularische) Dienste eine entscheidende Rolle spielen.
Im Rahmen der Klimadiplomatie sollte es vor allem darum gehen, die Folgen vom durch Industriestaaten verursachten Klimawandel in ärmeren Staaten und Regionen der Welt abzumildern und eine sozial-ökologische Transformation zu ermöglichen. Diese Transformation muss fair sein und auf Kooperation statt Ausbeutung, Interessendurchsetzung und/oder Neokolonialismus setzen.
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Was unternimmt Ihre Fraktion im Europäischen Parlament, um unseren schwedischen EU-Kollegen Johan Floderus aus seiner illegalen, seit über zwei Jahren andauernden Inhaftierung im Iran zu befreien?
Die Delegation der Partei Die Linke setzt sich selbstverständlich für die Freilassung von Johan Floderus ein – ebenso wie für alle weiteren Doppelstaater, die sich derzeit unrechtmäßig in iranischer Haft befinden. So hat die Delegation die entsprechenden Resolutionen des EP mitgetragen. Ferner stellt die Delegation mit MdEP Dr. Cornelia Ernst auch den Vorsitz der Delegation des Europäischen Parlaments für die Beziehung zu Iran. In dieser Funktion hat Frau Ernst immer wieder auf die iranische Geiseldiplomatie sowie den Fall Floderus hingewiesen (bspw. in sozialen Medien, Stellungnahmen oder Interviews) und deutlich gemacht, dass es dringend einer gesamteuropäischen Strategie zum Umgang mit der iranischen Geiseldiplomatie bedarf. Darüber hinaus hat Frau Ernst in ihrer Funktion als EU-Iran-Delegationsvorsitzende mehrfach den Austausch mit relevanten Behörden gesucht, um das in Rede stehende Thema zu besprechen. Abschließend gilt festzuhalten, dass die Delegation der Partei DIE LINKE die demokratische Oppositionsbewegung in Iran unterstützt und hierzu vielfältig tätig geworden ist.
Themen:
Außenpolitik