Wahlprüfstein Europawahl 2024

DER AGRARHANDEL e.V.

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Wie sieht nach Ihrer Vorstellung ein Weg aus, Lebensmittel nachhaltiger zu produzieren, ohne gleichzeitig die Ernährungssicherheit in Europa sowie die Wettbewerbsfähigkeit und wichtige Exportmärkte europäischer Unternehmen zu gefährden?
Im Vordergrund steht für uns: Nachhaltigkeit der Lebensmittelproduktion und Ernährungssicherheit. Eine Förderpolitik von Landwirtschaft mit Hybridsaatgut, starker künstlicher Düngung und Pestiziden, die die bäuerlichen Betriebe abhängig von Chemiekonzernen machen, lehnen wir ab. Der Streit um ukrainische Getreideexporte hat gezeigt, wie fragil die Ernährungsversorgung in weiten Teilen der Welt ist. Wir wollen regionale Wirtschaftskreisläufe und Wertschöpfung stärken.
Themen: Landwirtschaft

2

Sind Sie dafür, die Agrarmärkte weiter zu globalisieren und mit Handelsabkommen weitere Märkte für europäische Agrarexporte zu öffnen bzw. die europäischen Agrarmärkte für mehr Importe zu öffnen?
Nein. Unter den jetzigen globalen Bedingungen sind die Agrarmärkte zu sehr auf Profit und Gewinnerwartungen ausgerichtet, während im globalen Süden Hunger herrscht. Eine Marktöffnung für europäische Agrarexporte würde dieses Ungleichgewicht weiter verstärken. Stattdessen sollen regionale Erzeugung, Verarbeitung und Wertschöpfung, die umweltfreundlich, gesünder und sozial sind, gefördert werden. Voraussetzung für lebendige ländliche Räume ist die Ausgestaltung lokaler Ernährungsstrategien und regionaler Kreislaufwirtschaft in Zusammenarbeit mit allen Akteur*innen.
Themen: Landwirtschaft

3

Gibt es einen Plan B für den Fall, dass die Sorgfaltspflichten in der Lieferkette mit den Handelspartnern in Drittstaaten nicht durchzusetzen sind und sich diese lieber andere Absatzwege suchen? Wenn ja, wie sieht dieser Plan aus, um Europa nicht aus wichtigen Handelsketten auszuschließen?
Lieferketten sind z.B. während Corona zusammengebrochen, weil es zu wenig regionale Wirtschaftskreisläufe und regionale Produktion gab, und es dauerte zu lange, dringend benötigte Dinge produzieren zu lassen. Das wollen wir ändern. Eine starke, unabhängige Wirtschaft in der EU muss heißen: Wir steuern die Wirtschaft in eine soziale und ökologisch gerechte Zukunft. Wir wollen vorrangig dort produzieren, wo die Dinge verbraucht werden. Wir treiben die nachhaltige Rohstoffwende und die Agrarwende voran.
Themen: Landwirtschaft

4

Sind Sie der Auffassung, dass es im Bereich des Einsatzes von Düngemitteln und Pflanzenschutzmitteln quantitative Reduktionsziele geben sollte? Wenn ja, wie sollen diese ordnungspolitisch umgesetzt werden und wie hoch sollte eine Reduktion Ihrer Meinung nach sein?
Ja. Zur Wiederherstellung der Natur sind beim Einsatz von Düngemitteln und Pflanzenschutzmitteln quantitative Reduktionsziele unvermeidlich. Eine Zahlenangabe zur Reduktion lässt sich nicht pauschal ermitteln, hier kommt es auf den Normzustand der Böden, die Wasserqualität und die landwirtschaftliche Bewirtschaftungsform an. Die Entwicklung sicherer Pflanzenschutzmethoden wollen wir fördern.
Themen: Landwirtschaft

5

Sind Sie für den Einsatz neuer Züchtungstechniken? Plädieren Sie für eine Kennzeichnung neuer Züchtungstechniken durch die gesamte Lebensmittelkette? Welche Lösungsansätze sehen Sie, um in diesem Zusammenhang einen rechtssicheren Rahmen im internationalen Handel zu schaffen?
Wir setzen uns für eine EU-weite transparente und verlässliche Herkunfts-, Nachhaltigkeits- und Regionalkennzeichnung ein (Sustainable Food System Law). Anbau vontransgenen Pflanzen in der Landwirtschaft, einschließlich sogenannter neuer genomischer Techniken, und Patente auf Saatgut, Pflanzen, Tiere und anderes Leben lehnen wir ab. Der von der EU per Verordnung geplante Aussetzung der generellen Kennzeichnung für den Großteil der gentechnisch veränderten Organismen (GVO) stellen wir uns entgegen.
Themen: Landwirtschaft

6

Mit welchen konkreten Maßnahmen sollen in der nächsten Legislatur wirkliche Bürokratieentlastungen für die Agrarhandelsbranche erreicht werden?
Der Ärger, insbesondere kleiner Höfe, über Bürokratieaufwand ist berechtigt. Bürokratieabbau in der Landwirtschaft ist aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Linke tritt dafür ein, dass es in der Erzeugerkette eine faire Gewinn- und Risikoverteilung geben muss. Landwirte brauchen vor allem verlässliche und faire Preise für Lebensmittel. In Spanien und Frankreich ist es verboten, dass Handelskonzerne Lebensmittel unter dem Produktionswert einkaufen, das kann problemlos auch in Deutschland umgesetzt werden. Preissicherheit müssen wir auch über die Gemeinsame Marktordnung der EU einführen. Gleichwohl sind verlässliche Standards ohne Auflagen und Kontrollen nicht zu haben. Und auch eine Gemeinwohlprämie setzt eine nachvollziehbare und vergleichbare Erfüllung entsprechender Kriterien voraus.
Themen: Landwirtschaft

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Was sind Ihrer Ansicht nach die größten Herausforderungen im Bereich der Agrarlogistik und mit Hilfe welcher Maßnahmen wollen Sie diesen begegnen? Wird sich die deutliche Steigerung der LKW-Mautgebühren auf die Verbraucherpreise auswirken? Und wenn ja, wie hoch schätzen Sie diesen Effekt ein?
Durch die verpflichtende Umsetzung und Erhöhung der Lkw-Maut in allen Mitgliedstaaten kann gewährleistet werden, dass höhere Distanzen auch höher bepreist werden. Dadurch gewinnt der Schienengüterverkehr gegenüber dem Lkw-Verkehr erhebliche Kostenvorteile. Das europäische Transportnetz Schiene muss umgesetzt werden. Die weiteretechnische und rechtliche Harmonisierung des EU-Eisenbahnverkehrs ist Voraussetzung für einen Umstieg auf die Schiene in der EU. Die von uns befürworteten regionalen Produktionsketten und regionale Vermarktung würden erheblich zur Reduzierung des Lkw- und Seeverkehrs beitragen.
Themen: Landwirtschaft