Wahlprüfstein Europawahl 2024

Brot für die Welt Jugend

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Für Asylsuchende ist Erwerbsarbeit ein wichtiger Schritt der gesellschaftlichen Integration. Wie können Asylsuchende schneller und erfolgreicher in bezahlte Arbeit vermittelt werden? Wie will Ihre Partei die Integration von Asylsuchenden in der EU insgesamt verbessern?
Die Linke fordert ein niedrigschwelliges Sprachkursangebot für alle Schutzsuchenden und einen Zugang zum Arbeitsmarkt von Beginn an. Die bisherige Politik der Abschreckung und Arbeitsverbote zwingt viele Geflüchtete zur Untätigkeit, während sie auf ihren Asylbescheid warten. Die meisten Schutzsuchenden wollen arbeiten, schon um den beengten Lebensbedingungen in den großen Sammelunterkünften zumindest zeitweise entgehen zu können. Geflüchtete mit kleinen Kindern sind dabei auf besondere Unterstützung angewiesen, etwa durch entsprechende Betreuungsangebote, um die Aufnahme von Erwerbsarbeit oder die Teilnahme an Sprachkursen zu ermöglichen. Der Förderung des Spracherwerbs müssen spezifische Aus- und Weiterbildungsangebote und vereinfachte Verfahren zur erleichterten Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen und Abschlüssen folgen.

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Möchte Ihre Partei an der Praxis festhalten, Asylsuchende aus sogenannten sicheren Herkunftsländern an den europäischen Außengrenzen in Lagern unterzubringen, bis über ihren Asylantrag entschieden ist?
Nein. Die Linke setzt sich für ein uneingeschränktes, individuelles Asylrecht ein. Wir lehnen das Konzept sicherer Herkunftsländer und damit verbundene Einschränkungen der Rechte Schutzsuchender grundsätzlich ab. Inhaftierung bzw. das Festhalten von Asylsuchenden und unfaire Schnellverfahren an den Außengrenzen lehnen wir ab. Geflüchtete sind keine Kriminellen! Gegen den Widerstand der Linken wurde die bisherige „Hotspot“-Praxis jetzt in Gesetzesform gegossen. In den geplanten Grenzverfahren unter Haftbedingungen wird es in den Auffanglagern an den EU-Außengrenzen keine fairen Asylprüfungen geben. Wir sprechen uns entschieden gegen eine Auslagerung von Asylverfahren auf Länder außerhalb der EU aus („sichere Drittstaaten“). Damit entzieht sich die EU ihren Verpflichtungen im Rahmen des internationalen Flüchtlingsschutzes.
Themen: Flucht & Asyl

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Wie steht Ihre Partei zu den EU-Geldern, welche im Rahmen von „Migrationspartnerschaften“ an autoritäre Regierungen im Nahen Osten und Nordafrika ausgezahlt werden, um Flüchtlinge - bei Missachtung der Genfer Flüchtlingskonvention - an der Einreise in die EU zu hindern?
Das Konzept der Vorverlagerung der Grenzabwehr lehnen wir ab. Dadurch soll umgangen werden, dass die Genfer Flüchtlingskonvention verbietet, Geflüchtete an den Grenzen zurückzustoßen. Wir setzen und für ein vollwertiges Recht auf Asyl ein. Die Maßnahmen, mit denen Migration innerhalb des afrikanischen Kontinents im Auftrag der EU verhindert und kriminalisiert werden soll, bedrohen Gesundheit und Leben der Menschen auf der Flucht. Zugleich werden mit finanziellen Mitteln autoritäre, undemokratische Regimes gestärkt, die wiederum Menschen zur Flucht zwingen. Der Begriff der „Partnerschaft“ verschleiert ungleiche Machtverhältnisse und Interessen von EU und Drittstaaten. Wir wollen legale Fluchtwege und geordnete Asylverfahren, die mit internationalem Recht und den Menschenrechten in Einklang stehen.
Themen: Flucht & Asyl

4

Wie beabsichtigt Ihre Partei, den Tierschutz in Europa zu fördern? Setzen Sie sich dafür ein, dass EU-Fonds für Naturschutzmaßnahmen (v.a. ELER) finanziell deutlich besser ausgestattet werden?
Wir wollen Tiere nicht als Dinge verstanden wissen und nicht als Mittel zum Profit. Wir wollen, dass Tierschutz EU-Gemeinschaftsziel wird. Wir brauchen höhere Standards ohne Schlupflöcher, mehr Transparenz in der Tierindustrie sowie unabhängige Kontrollen durch entsprechendes Personal und Videodokumentation in Schlachthöfen. Wir wollen Tierversuche in der EU verbieten und alternative Forschungsmethoden fördern und rechtlich bevorzugen. Es braucht klare Ausstiegspläne in allen Mitgliedstaaten. Der Handel mit Tieren (insbesondere im Internet) muss streng reguliert werden. Wir schützen wilde Tiere, indem wir Biotope miteinander verbinden. Durch Tierkorridore reduzieren wir Wildunfälle. Die europäischen Naturschutzrichtlinien müssen so reformiert werden, dass die Freizeitjagd begrenzt wird.
Themen: Tierschutz

5

Das Lieferkettengesetz soll die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards in den Lieferketten europäischer Unternehmen regeln. Was werden Sie für eine wirksame Umsetzung und eine Ausweitung des Geltungsbereiches des Gesetzes tun?
Die Linke hat für die Einführung eines Europäischen Lieferkettengesetzes eingesetzt. Wirtschaftsliberale Parteien wie die FDP haben im Rat nachträglich viele Ausnahmeregelungen und Verzögerungen erzwungen. Ende April 2024 werden wir dem Gesetz im Europaparlament dennoch zustimmen. Durch das hohe Engagement von zivilgesellschaftlichen Organisationen wäre es uns - mit Euch - dann gelungen, das Gesetz gegen die Widerstände von Lobbyverbänden durchzusetzen. Unsere Abgeordneten werden darauf drängen, deutlich mehr Unternehmen in die Sorgfaltspflicht zu nehmen, besonders in den Risikosektoren Textil, Landwirtschaft und Rohstoffgewinnung und im Finanzsektor.
Themen: Handelspolitik

6

Eine internationale Bahnreise zu buchen, ist noch immer kompliziert und Fahrgastrechte wie die Garantie des Anschlusszuges gelten nicht für die Gesamtstrecke. Wie werden Sie zuverlässigen Schienenverkehr fördern? Setzen Sie sich z.B. für eine europäische Buchungsplattform ein?
Ja, wir setzen uns nicht nur für eine europäische Buchungsplattform ein. Wir wollen die „United Railways of Europe“: Die Bahn soll europaweit gemeinwohlorientiert organisiert werden. Für Kooperation und die Bedürfnisse von Fahrgästen und Beschäftigten statt Profiten und Wettbewerb. Mit koordinierten Fahrplänen und mehr Verbindungen quer durch Europa. Innerhalb der nächsten zehn Jahre (nicht erst 2070) sollen alle europäischen Großstädte im Stundentakt angefahren werden (Europatakt). Europaweit muss der Bahnausbau vorangetrieben werden, und das nicht nur auf den Hochgeschwindigkeitsstrecken zwischen Metropolen: Viele Orte in Europa müssen überhaupt wieder ans Bahnnetz angeschlossen werden. Der von uns geforderte Ausbau des öffentlichen Regional- und Nahverkehrs schafft zudem zuverlässige Verbindungen "auf dem letzten Meter". Wir wollen, dass Nachtzüge wieder alle wichtigen Strecken im nationalen und grenzüberschreitenden Verkehr befahren. Damit die Fahrpreise erschwinglich sind, wird diese durch Subventionen gefördert. Finanziert wird das durch die Streichung klimaschädlicher Subventionen vor allem des Flugverkehrs. Fahrgastrechte müssen auch bei Bahnreisen europaweit gelten und entsprechende Schiedsstellen in allen EU-Ländern eingerichtet werden, damit Fahrgäste sicher ans Ziel kommen und Erstattungen mit wenig Aufwand einfordern können.
Themen: Mobilität

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Ruanda gehört zu den wichtigsten Coltan-Exporteuren der Welt, obwohl es über keine Coltan-Vorkommen verfügt. Es beutet die Coltan-Vorkommen aus der Kriegsregion DR Kongo aus. Wie kann die EU durch ihre Gesetzgebung den Import von Mineralien aus Kriegsregionen unterbinden?
Der Abbau von Coltan aus der DR Kongo ist nur ein Beispiel, warum das EU-Lieferkettengesetz, dem der Rat am 15. März 2024 zugestimmt hat, lediglich ein Teilerfolg ist. Wie in der vergangenen Legislatur des EP bleibt es eines unserer wichtigsten Anliegen. Wir fordern eine Überarbeitung, die es ermöglicht, umfassend Unternehmen in der EU für Kinder- oder Zwangsarbeit, Menschenrechtsverletzungen sowie für Umweltverschmutzung ihrer internationalen Lieferanten verantwortlich zu machen und vor europäischen Gerichten zur Rechenschaft zu ziehen. Dabei müssen die ausstehenden Lücken geschlossen werden, wozu u.a. die Einbeziehung des Finanzsektors zählt. Das Gesetz muss auf Unternehmen unter 1.000 Beschäftigte und auf nachgelagerte Lieferketten ausgeweitet werden. Coltan fält unter die EU-Konfliktmineralienverordnung, die seit 2021 gilt. Wir kritisieren die bisherige mangelhafte Umsetzung, insbesondere die umzureichende Sorgfaltspflicht im Falle von Kleinbergbau. Wir fordern zukünftig zusätzliche Maßnahmen zur Verbesserung der Transparenz der Lieferketten.

8

Warum werden die Kriege und Krisen, die verschiedene Regionen der Welt erschüttern (z.B. Gaza, Sahelzone, Sudan, Ukraine) von den EU-Ländern so unterschiedlich behandelt? Warum sind die europäischen Länder nicht verantwortlich für die Instabilität, die sie durch ihr (Nicht-)Handeln verursachen?
Die EU-Kommission definiert sich ganz offen geopolitisch. Für sie ist entscheidend, die EU in der globalen Konkurrenz um Rohstoffe und Einflusssphären zu platzieren. Das ist ihr wichtiger als in jedem Konflikt die gleichen Maßstäbe anzulegen. Die in der EU herrschende Produktions-, Konsumptions- und Lebensweise soll damit abgesichert werden. Die europäischen Länder sind verantwortlich für Instabilität, die sie durch Handeln oder Nicht-Handeln verursachen. Wir streiten dafür, dass sie auch verantwortlich gemacht werden. Die Linke streitet für eine EU, die Frieden, Völkerrecht und Menschenrechten verpflichtet ist. Statt einer EU der Konzerne wollen wir eine EU, die im Dienste der Menschen steht. Nur dann kann sie bei Konflikten in dieser Welt als Vermittlerin auf gerechten und nachhaltigen Frieden wirken. Dafür braucht es auch eine gerechte Weltwirtschaft.
Themen: Frieden