Wahlprüfstein Europawahl 2024
Bündnis Lebensmittelrettung
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Die EU-Kommission hat einen Vorschlag für EU-weite Reduktionsziele zur Bekämpfung der Lebensmittelverschwendung unterbreitet. Wie stehen Sie zur Einführung verbindlicher Reduktionsziele? Welche Reduktionsziele sieht Ihre Partei dabei für welche Sektoren vor und gegenüber welchem Referenzjahr?
Die Linke begrüßt verbindliche Reduktionsziele bei der Lebensmittelverschwendung. Denn die freiwilligen Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, die seit 2019 im Rahmen der Nationalen Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung in verschiedenen Dialogforen geschlossen wurden bzw. werden sollten, sind nicht ausreichend, um das Ziel zu erreichen, die Lebensmittelverschwendung bis 2030 in Deutschland zu halbieren. Die einzige bisher abgeschlossene Zielvereinbarung wurde bis heute weder umgesetzt, noch wurden verbindliche Reduktionsziele in der gesamten Wertschöpfungskette festgelegt. Die Datenerfassung ist bis heute unzureichend.
Die Unternehmen sollen verpflichtet werden, in ihrer Nachhaltigkeitsberichterstattung über ihre Lebensmittelverluste und Lebensmittelabfälle jährlich öffentlich zu berichten: An welcher Stelle in der Wertschöpfungskette wurden Lebensmittel verschwendet und welche Gegenmaßnahmen wurden getroffen?
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Die Vorschläge für Reduktionsziele von Lebensmittelverschwendung von Kommission und Parlament sehen kein Reduktionsziel für die Primärproduktion vor. Möchte Ihre Partei ein Reduktionsziel für die Primärproduktion einführen und, wenn ja, in welcher Höhe?
Ja, die Linke setzte sich für ein Reduktionsziel für die Primärproduktion ein. Die genauen Reduktionsziele sollen in einer multisektorialen Expert*innenkomission beraten und festgelegt werden.
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Bisher erfasst die EU-Definition für Lebensmittelverschwendung Verluste vor der Ernte und vor der Schlachtung nicht. Diese Verschwendung ist auch nicht Teil der Reduktionsziele. Setzt Ihre Partei sich für eine Einbeziehung der Verluste vor der Ernte und vor der Schlachtung ein? Wenn ja, wie?
Ja, Die Linke will alle Verluste von Lebensmitteln eindämmen, auch vor Ernte und Schlachtung. Die Nationale Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung soll in diesem Sinne um Vorernte- und Vorschlachtungsverluste erweitert, diesbezügliche Daten erhoben und die Betriebe zu einem Bericht über ihre Verluste und Gegenmaßnahmen verpflichtet werden.
Auf EU-Ebene setzt sich Die Linke entsprechend dafür ein, dass auch Verluste vor und während der Ernte bzw. Schlachtung statistisch als Lebensmittelverschwendung erfasst und untersucht werden.
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Wie plant Ihre Partei die Wertschätzung von Lebensmitteln innerhalb der Bevölkerung zu erhöhen und mehr Kenntnisse im Umgang mit Lebensmitteln (wie z.B. Lagerung) zu vermitteln?
Mehr Wertschätzung für Lebensmittel kann vor allem durch mehr Bildung vermittelt werden. Dafür will Die Linke in Zusammenarbeit mit den Bundesländern und Kommunen eine anwendungsorientierte Ernährungsbildung in Schulen und Kitas durch gemeinsames Kochen und Zubereiten von Mahlzeiten sowie den Anbau von Nahrungsmitteln in Schulgärten durch flächendeckende Angebote und Investitionen in Küchen ausbauen und finanziell fördern.
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Als Teil der Farm to Fork Strategie hat die Europäische Kommission die Überarbeitung von Haltbarkeitsdaten angekündigt. Wird Ihre Partei sich für Änderungen einsetzen und, wenn ja, für welche?
Ja. Private Haushalte tragen nicht unwesentlich zur Lebensmittelverschwendung bei, fast die Hälfte davon gilt als noch genießbar. Häufig ist es ein Missverständnis bei Verbraucher*innen in Bezug auf das Mindesthaltbarkeitsdatum, das Lebensmittel nach Mindesthaltbarkeitsdatums-Ablauf noch genießbar sind.
Die Linke will darum einheitliche Standards für die Festlegung des Mindesthaltbarkeitsdatums sowie die Abschaffung des Mindesthaltbarkeitsdatums für besonders lang haltbare Produkte wie Kaffee, Tee oder Mehl. Denn aktuell können Hersteller selbst entscheiden, wie lange sie für die Haltbarkeit der Lebensmittel garantieren, teilweise wird der Effekt genutzt, mehr Frische durch kürzere Haltbarkeit zu suggerieren, was Lebensmittelverschwendung künstlich begünstigt.
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Sowohl Unternehmen, die Lebensmittel spenden, als auch rettende Organisationen klagen über Rechtsunsicherheit bei der Weitergabe von Lebensmittelspenden. Wie wird sich Ihre Partei für die Klärung von Haftungsfragen einsetzen?
Die Linke setzt sich für eine Klärung von Haftungsfragen ein. Wir fordern die die Befreiung sozialer Einrichtungen von der Produkthaftung ein, indem diese im Lebensmittelrecht Endverbrauchern gleichgestellt werden. Dafür haben wir uns auch im Bundestag eingesetzt - bisher wurde dies durch die anderen Parteien blockiert (Bundestag Drucksache 20/6413, „Lebensmittelverschwendung durch Wegwerfverbot von Nahrungsmitteln stoppen“). Selbstverständlich ist es uns dabei wichtig, dass auch beim Spenden von Lebensmitteln der Schutz der Gesundheit und die Lebensmittelsicherheit gewährleistet bleibt.
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Wird sich Ihre Partei für eine Anpassung der spezifischen Vermarktungsnormen sowie eine Reduzierung weiterer freiwilliger und handelseigener Standards bei Obst und Gemüse, die rein ästhetischer Natur sind, einsetzen? Wenn ja, welche konkreten Maßnahmen planen Sie?
Ja, dafür setzen wir uns ein. Die genormten Standards von Obst und Gemüse befördern Lebensmittelverschwendung. "Verformtes" Obst und Gemüse sind eigentlich viel natürlicher als die angeblich perfekten Produkte, die in den Supermärkten präsentiert werden. Hier geht es nicht nur um einen Kulturwandel. Ganz konkret will Die Linke Praktiken der Supermärkte verbieten, mit denen die Lebensmittelverschwendung an die landwirtschaftlichen Erzeuger*innen zurückverlagert wird. Zum Beispiel sollte es verboten werden, dass die landwirtschaftlichen Erzeuger*innen von den Supermarktkonzernen nicht verkaufte und verderbliche Waren zurücknehmen müssen. Genauso wollen wir vertragliche Vereinbarungen verbieten, die es Lebensmittelherstellern untersagen, Lebensmittel mit Verpackungs- und Kennzeichnungsmängeln weiterzuverkaufen.
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Sieht Ihre Partei zur Reduzierung von Lebensmittelverschwendung weitere Maßnahmen vor, die in diesem Frage- und Antwortkatalog bisher noch keine Erwähnung gefunden haben? Wenn ja, welche?
Ja. Die Linke setzt sich dafür ein, nutzbare Abfälle kostenfrei zu verwenden. In diesem Zusammenhang wollen wir die Lebensmittelrettung - das sogenannte Containern - legalisieren.
Wir wollen ein Gesetz für die Bekämpfung des Wegwerfens und Zerstörens von noch genießbaren Lebensmitteln für Supermärkte ab einer Ladenfläche von 400 m² sowie lebensmittelherstellende und -verarbeitende Unternehmen, Großmärkte, Großküchen, Großgastronomie und große landwirtschaftliche Erzeugerinnen und Erzeuger ab 50 Beschäftigten und 10 Millionen Euro Jahresumsatz mit folgenden Eckpunkten:
a) Pflicht zum unentgeltlichen Angebot noch verzehrfähiger Lebensmittelreste an soziale Einrichtungen, die bei der Abholung, Lagerung, Kühlung, Verarbeitung und Verteilung von den abgebenden Lebensmittelunternehmen finanziell unterstützt werden sollen,
b) Befreiung sozialer Einrichtungen von der Produkthaftung, indem diese im Lebensmittelrecht Endverbrauchern gleichgestellt werden,
c) Ahndung von Verstößen durch Bußgelder in Höhe von bis zu 0,1 Prozent des Jahresumsatzes des Unternehmens; die Strafzahlungen sollen in einen Fonds fließen, der die Reduzierung der Lebensmittelverschwendung unterstützt, zum Beispiel im Bereich Bildung,
d) ausreichende und gut ausgestattete Kontrollbehörden, um die Einhaltung des Gesetzes zu garantieren.