Wahlprüfstein Europawahl 2024
Sozialverband Deutschland e.V. (SoVD)
1
Soziale Mindeststandards: Sind Sie mit uns der Meinung, dass EU-weit einheitliche soziale Mindeststandards für die Bereiche Armutsbekämpfung, Zugang zu sozialen Diensten, Zugang zu Grundsicherungsleistungen sowie Absicherung bei Arbeitslosigkeit, Krankheit und Alter eingeführt werden müssen?
Ja. Die Linke setzt sich dafür ein, dass die EU einen fairen Rahmen schafft, in dem die Mitgliedstaaten auch im Bereich ihrer Mindestsicherungssysteme, die Würde eines jeden Menschen, frei von existenzieller Armut leben zu können, sichern.
Die Schere zwischen Arm und Reich geht in der EU und in den Europäischen Mitgliedsstaaten weiter auf. Hohe Preise tragen dazu bei, dass viele Menschen Wohnen, Essen, der Zugang zu Bildung und gesellschaftlicher Teilhabe nicht mehr sicher abdecken können. Die Linke hat sich maßgeblich für ein Europäisches Mindesteinkommen eingesetzt: In allen Mitgliedsstaaten müssen soziale Sicherungssysteme ein Leben oberhalb der offiziellen Armutsschwelle gewährleistet. Das wollen wir zu einer verbindlichen Richtlinie machen.
Auch für die Gesundheitsversorgung muss die EU verbindliche Mindeststandards setzen, die allen in der EU lebenden Menschen garantiert werden. Diese Mindeststandards sollten Umfang und Qualität der Versorgung bestimmen. Mitgliedstaaten, die Schwierigkeiten haben, dies abzusichern, müssen Unterstützung erhalten.
2
Europäische Steuergerechtigkeit: Machen Sie sich mit uns für eine Unterbindung von Steuerdumping, die Einführung einer Finanztransaktionssteuer sowie für eine Steuer auf krisenbedingte Übergewinne stark?
Ja. Wir wollen Steuerdumping unterbinden und streiten für die Erhöhung der globalen Mindeststeuer auf 25%. Wir wollen Steuerhinterziehung und -vermeidung stärker verfolgen. Damit wollen wir Steueroasen auch in der EU trockenlegen. Wir fordern eine dauerhafte Übergewinnsteuer von 90%, um Anreize für unberechtigte Preissteigerungen und Inflationstreiber abzuschaffen. Darüber hinaus fordern wir eine Quellensteuer, damit Gewinne dort versteuert werden, wo sie erwirtschaftet werden. Um die Finanzmärkte zu stabilisieren, wollen wir eine europäische Finanztransaktionssteuer von 0,1 Prozent einführen. Damit beteiligen wir Spekulant*innen stärker an der Finanzierung des Gemeinwesens.
3
Sozialverträglicher Umwelt- und Klimaschutz: Welche Maßnahmen planen Sie auf EU-Ebene, um den Klima- und Umweltschutz voranzubringen und dabei die soziale Verträglichkeit zu gewährleisten?
Die Klima- und Energiepolitik der EU setzt vor allem auf den Markt und steigende CO2-Preise. Doch der Markt regelt es nicht: Die Strompreise explodieren, während sich Konzerne bereichern. Die Energiearmut in der EU steigt. Die CO2-Preise treffen jene besonders hart, die ohnehin schon kaum über die Runden kommen – für Superreiche ist das Kleingeld.
Die Linke fordert eine soziale und ökologisch gerechte Klimapolitik: klare Vorgaben für die Unternehmen und echte Alternativen für die Menschen. Wir streiten für eine Energiewende mit gemeinnützigen Energieerzeugern und sozial gestaffelten Preisen. Für einen klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft, der sichere Arbeitsplätze mit guten Löhnen schafft. Zur Entlastung von den CO2-Preisen fordern wir ein soziales Klimageld, das Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen besonders unterstützt. Wir stehen ein für eine Agrarwende ohne Massentierhaltung und mit Subventionen, die bessere Arbeitsbedingungen und Nachhaltigkeit statt nur (große) Flächen fördert. Für eine Verkehrswende mit Bus- und Bahnausbau statt immer größeren und schwereren Autos: Wir wollen Alternativen schaffen, mit kostenfreiem ÖPNV in ganz Europa.
Themen:
Ökologie
4
Arbeitslosigkeit und Fachkräftemangel bekämpfen: Welche beschäftigungspolitischen Initiativen unterstützen Sie, um die Arbeitslosigkeit in den EU-Mitgliedstaaten nachhaltig zurückzudrängen und gleichzeitig dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken?
Die Europäischen Sozialcharta verpflichtet die Mitgliedstaaten, „die Arbeitswoche fortschreitend zu verkürzen“. In vielen Berufen sind Beschäftigte am Rand ihrer Kräfte oder können mit der Arbeitsverdichtung und Belastung ihre Berufe nicht bis zum Renteneintritt ausüben. Die Linke unterstützt Initiativen, die zu einer Arbeitszeitverkürzung führen, auch die 4-Tage-Woche.
Mit einem breit angelegten Investitionsprogramm in öffentliche Daseinsvorsorge und nachhaltige Wirtschaft schaffen wir allein in Deutschland 1 Mio Klima-Jobs mit guten Stndards.
Wir wollen den internationalen Pflegenotstand bekämpfen und bessere Personalschlüssel in der öffentlichen Daseinsvorsroge insgesamt. Mit kürzeren Arbeitszeiten und höheren Löhnen werden Pflege, Erziehung und andere „Mangelberufe“ attraktiver. So können genügend Fachkräfte gefunden und gehalten werden. Kürzere Arbeitszeiten erleichtern eine gleichberechtigte Arbeitsteilung bei Haushalts- und Sorgeaufgaben und erleichtern Frauen die Rückkehr in Berufstätigkeit.
Wir wollen gute Weiterbildungsangebote, Trainings- und Reintegrations-Angebote für Erwerbslose, mit der Perspektive auf existenzsichernden und gute Arbeitsplätze. Für Migrant*innen und Geflüchtete muss der Zugang zum Arbeitsmarkt – schneller und unkomplizierter – ermöglicht werden. Hierzu ist es wichtig, die Anerkennung von Qualifikationen, Berufsabschlüssen und -erfahrungen zu vereinfachen und der niedrigschwellige Zugang zu Sprachkursen erfolgt.
Themen:
Arbeitslosigkeit,
Migration
5
Arbeitsbedingungen verbessern: Welche konkreten Schritte sind nach Ihrer Auffassung erforderlich, um die Arbeitsbedingungen und den Schutz der Arbeitnehmer*innen zu verbessern?
Der Mindestlohn muss erhöht werden. Laut EU-Mindestlohnrichtline müsste er in Deutschland derzeit mindestens 14,12 Euro betragen. Die Linke will auf 15 Euro aufrunden und jährlich automatisch um die Inflation erhöhen. Öffentliche Aufträge und öffentliches Geld dürfen nur an Firmen gehen, die Tarifverträge einhalten - der Staat muss aufhören, selber Lohndumping zu fördern. Unternehmen müssen für Löhne und Arbeitsbedingungen bei ihren Subunternehmern gerade stehen. Auf Antrag der Gewerkschaften müssen Tarifverträge allgemeinverbindlich werden. Arbeitszeiten müssen endlich vollständig dokumentiert werden, damit Beschäftigte nicht um ihren Lohn geprellt werden. Arbeitsschutzbehörden brauchen mehr Personal für Kontrollen: bei Mindestlohnkontrollen werden regelmäßig schwere Verstöße entdeckt. In allen Jobs muss es vollen Sozialversicherungsschutz ab dem ersten Euro geben, auch für Saisonbeschäftigte. Wir brauchen eine Anti-Stress-Verordnung gegen die zunehmende Arbeitsverdichtung.
6
Inklusion: Welche Initiativen ergreifen Sie, damit Menschen mit Behinderungen tatsächlich in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens besser teilhaben können, so wie es die UN-Behindertenrechtskonvention fordert, und ihnen ein besserer Zugang zu Arbeits- und Bildungsmöglichkeiten geboten wird?
Die vollständige Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens ist ein zentrales Anliegen unserer Partei und unseres Europawahlprogramms. Wir streiten für eine inklusive Gesellschaft, in der die Rechte und die Würde von Menschen mit Behinderungen geachtet und gefördert werden, der Zugang zu Arbeits- und Bildungsmöglichkeiten verbessert und eine vollständige Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht wird: Wir treiben die Umsetzung der 5. EU-Gleichstellungsrichtlinie voran. Sondereinrichtungen für Menschen mit Behinderung wollen wir abschaffen. Wir streiten für ein inklusives Bildungssystem und einen inklusiven Arbeitsmarkt mit gesetzlichem Mindestlohn für Menschen mit Behinderung. Wir unterstützen das Recht auf selbstbestimmtes Wohnen und Leben. Barrierefreiheit soll in Kommunen, ÖPNV und Privatwirtschaft verpflichtend sein. Auch digitale Barrierefreiheit und barrierefreie Kommunikation muss gewährleistet sein. Wir wollen einen Europäischen Behindertenausweis. Wir wollen inklusive Strukturen schaffen und Teilnahme an demokratischen Prozessen ermöglichen. Dafür müssen auch technische Mittel für die Wahrnehmung des Wahlrechts bereitstehen. Diskriminierungen in Rechtsverfahren müssen aufgehoben werden.
Themen:
Inklusion
7
Europäische Kooperation bei Arzneimittelversorgung: Werden Sie sich zur Vermeidung künftiger Lieferengpässe bei essentiellen Arzneimitteln für eine stärkere europäische Kooperation in der Arzneimittelversorgung einsetzen, sowie für eine angemessene Arzneimittelpreisgestaltung hinwirken?
Eine Ursache für Arzneimittelengpässe ist, dass die Pharmaindustrie die Produktion von Arzneimitteln und Zusatzstoffen aus wirtschaftlichen Gründen verlagert. Wenn die Liefer- und Produktionsketten brechen, entstehen Lücken in der Versorgung. Wir wollen regionale Wirtschaftskreisläufe stärken. Das macht die Arzneimittelversorgung in der EU sicherer und die EU unabhängiger. In der EU-Arzneimittelstrategie muss sichere Versorgung im Vordergrund stehen. Die Linke setzt sich bei den Verhandlungen zum EU-Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel dafür ein, dass die Sicherstellung der Arzneimittelversorgung als wichtige Gemeinwohlaufgabe der Mitgliedstaaten definiert wird. Das muss im EU-Recht Vorrang gegenüber dem freien Binnenmarkt haben. Anreize zur Verlagerung von Produktionskapazitäten müssen durch Auflagen für Versorgungssicherheit flankiert werden (Diversifizierung von Herstellungs- und Zulieferunternehmen, robuste Lieferketten etc.). Arzneimittel werden oft aus Niedrigpreisländern in Hochpreisländer importiert, was in den Exportländern die Versorgungssicherheit gefährdet. Mitgliedstaaten der EU müssen das unterbinden können.
Themen:
Gesundheit
8
Gewalt gegen Frauen verhindern: Welche Maßnahmen unterstützen Sie zur Verhinderung von Gewalt gegen Frauen?
Die Istanbul-Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt muss in allen Mitgliedstaaten vorbehaltlos umgesetzt werden. Wir wollen flächendeckende Versorgung für von Gewalt betroffene Frauen mit Schutzräumen, Beratungsangeboten und psychologischer Begleitung. Auch digitale Gewalt gegen Frauen muss bekämpft werden. Gewalt gegen Frauen, trans und queere Personen und ihre Verfolgung muss als Asylgrund europaweit anerkannt werden.
Wir streiten für Gleichberechtigung auf allen Ebenen, für gute Arbeit und gute Löhne, gleichen Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit. Für eine andere Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums und der gesellschaftlichen (Sorge-)Arbeit. Für sexuelle und geschlechtliche Selbstbestimmung, gegen Ausbeutung und Ausgrenzung und gegen Antifeminismus, Homo- und Trans- feindlichkeit. Gewalt gegen Frauen fängt nicht erst bei körperlicher Gewalt an: Sexistische Kommentare signalisieren bereits, dass Gewalt gegen Frauen akzeptiert wird. Deshalb streiten wir für Antidiskriminierungsgesetze in allen EU-Staaten mit Verbandsklagerecht, sowie für Anti-Sexismus-Regeln im öffentlichen und privaten Sektor.