Wahlprüfstein Europawahl 2024

Kindernetzwerk e.V.

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Jedes Kind/Jugendlicher mit einer chronischen Erkrankung/Behinderung hat das Recht innerhalb einer Familie aufzuwachsen. Was werden Sie tun, um der betroffenen Familie bestmöglich Unterstützung zu gewähren, wie ermöglichen Sie leichteren Zugang zu notwendigen Therapien und Gesundheitsleistungen?
Die Linke setzt sich für das Recht jedes Kindes und Jugendlichen mit einer chronischen Erkrankung oder Behinderung ein, innerhalb einer Familie aufzuwachsen. Um dies zu unterstützen, fordert ein inklusives Bildungssystem, das lebenslanges Lernen von der Kinderkrippe bis zur Universität ermöglicht – und deshalb die die Abschaffung aller Sondereinrichtungen. Menschen mit Behinderungen sollen selbst über ihr Wohnen und Leben entscheiden können. Wir wollen für alle Menschen die notwendige Versorgung in guter Qualität ohne Zuzahlungen gewährleisten. Dies umzusetzen fängt bei der Finanzierung der Krankenkassen an. Hier fordern wir eine Solidarische Gesundheits- und Pflegeversicherung, in die auch diejenigen Gutverdienenden einzahlen, die derzeit einen zu geringen Beitrag leisten oder sich aus der Solidarität in die Privatversicherung verabschiedet haben. So gewinnt man die Finanzierungsspielräume.

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Welche Bedeutung haben Selbsthilfeorganisationen und Patient:innenorganisationen für Sie? Inwiefern werden Sie diese bei EU-Gesetzgebung künftig einbeziehen?
Für Die Linke ist die Patient*innenorientierung des Gesundheitssystems keine Floskel. Entsprechend sehen wir Selbsthilfe- und andere Patient*innenorganisationen als sehr wichtige Akteure. Sie bieten mehr als den Erfahrungsaustausch unter Betroffenen, sondern sind zugleich Expert*innen in eigener Sache und Teil der Interessensvertretung nach außen. Wir wollen die Finanzierung der Selbsthilfe auf eine solide Basis stellen - nicht zuletzt, damit sie sich unabhängig von der Einflussnahme durch Politik, Krankenkassen und Industrie weiterentwickeln und wachsen kann. Wichtig ist dafür die dauerhafte, nicht nur projektbezogene Förderung, die Die Linke immer wieder eingefordert hat. Mittelfristig wollen wir die Patient*innenvertretung zu einer gleichberechtigten Stimme neben Krankenkassen und Ärzteschaft/Krankenhäusern auf der anderen Seite im Gemeinsamen Bundesausschuss und anderen Gremien der Selbstverwaltung machen. Wir wollen Selbsthilfe- und Patient*innenorganisationen in Parlamenten auf allen Ebenen regelmäßig einbeziehen.

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Wie wollen Sie erreichen, dass die flächendeckende Sicherstellung der kinder- und jugendmedizinischen Versorgung künftig gelingt, so dass der Versorgungsauftrag in allen Regionen und Sektoren sichergestellt ist?
Regionale Versorgungsnetze müssen aufgebaut und die Sektorengrenzen zwischen ambulanter, stationärer und notfallmedizinischer Versorgung überwunden werden – auch für Kinder und Jugendliche. Wir wollen für Patient*innen eine verlässliche Anlaufstelle einrichten, die ihnen wohnortnah Diagnostik und Therapie anbietet und ihnen bei Bedarf einen stationären Platz in einem Krankenhaus besorgen kann. Auch nachts und am Wochenende wollen wir verlässlichere und gut erreichbare Strukturen schaffen, die sich nicht an Sektoren und ihren Grenzen, sondern am Bedarf der Kinder und Jugendlichen orientieren.

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Welche Maßnahmen planen Sie, um einen weiteren Ausbau der Barrierefreiheit in allen Bereichen des öffentlichen Lebens zu erreichen? Bitte zählen Sie diese bezogen auf alle Felder auf.
Die Linke setzt sich mit Nachdruck für die Schaffung einer inklusiven Gesellschaft ein, in der Barrierefreiheit nicht nur ein Ideal, sondern gelebte Realität ist. Um dieses Ziel zu erreichen, verfolgen wir eine umfassende Agenda, die sich auf die Verabschiedung von EU-Gesetzen konzentriert, welche die Barrierefreiheit in allen öffentlichen Bereichen verbindlich vorschreiben. Wir setzen uns für Barrierefreiheit im Web ein, damit alle offiziellen EU-Internetseiten den internationalen Standards entsprechen. Wir drängen auf die Umsetzung des Europäischen Rechtsakts zur Barrierefreiheit in nationales Recht, um den Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln und öffentlichen Dienstleistungen in den Kommunen verpflichtend zu regeln. Barrierefreiheit muss auch in der Privatwirtschaft verpflichtend sein. Barrierefreie Kommunikation muss entsprechend des individuellen Bedarfs (blinde und sehbehinderte Menschen, gehörlose und hörbehinderte Menschen, Menschen mit Lernschwierigkeiten) möglich sein. Wir fordern die Einführung eines Europäischen Behindertenausweises, der die Mobilität von Menschen mit Behinderungen erleichtert. Die Teilhabe an demokratischen Prozessen muss eine Selbstverständlichkeit sein, und zum Beispiel mit barrierefreien Wahllokalen oder der Bereitstellung von Wahlunterlagen in Leichter Sprache, Gebärdensprache und Blindenschrift gewährleistet werden.
Themen: Inklusion

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Welche Maßnahmen planen Sie zur Realisierung der bestmöglichen Versorgung von Kindern und Jugendlichen, wie sie in der von Deutschland unterzeichneten UN-Kinderrechtskonvention proklamiert wird?
Für viele Kinder in Deutschland ist Art. 24 KRK sehr weitgehend verwirklicht, aber leider nicht für alle. Die soziale Herkunft kann eine schwer überwindbare Barriere zum Recht des einzelnen Kindes zur Erlangung des erreichbaren Höchstmaßes an Gesundheit sowie auf Inanspruchnahme von Einrichtungen zur Behandlung von Krankheiten und zur Wiederherstellung der Gesundheit sein. Dies gilt beispielsweise für Kinder, die in armen Haushalten aufwachsen, in denen die Ressourcen für ein gesundes Aufwachsen nicht vorhanden sind. Dies gilt auch für den Ausschluss von vielen Geflüchteten aus der Regelversorgung. Wir wollen Armut bekämpfen, das ist die "DNA" unserer Partei. Wir wollen auch, dass alle in Deutschland lebenden Menschen Zugang zur Regelversorgung haben.

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Welche Maßnahmen planen Sie, damit künftig die medikamentöse Versorgung der Kinder wieder flächendeckend sichergestellt ist?
Eine Ursache für Arzneimittelengpässe ist, dass die Pharmaindustrie die Produktion von Arzneimitteln und Zusatzstoffen aus wirtschaftlichen Gründen verlagert – oft auf Kosten der Versorgungssicherheit in den Exportländern. Wenn die Liefer- und Produktionsketten brechen, entstehen Lücken in der Versorgung. Wir wollen regionale Wirtschaftskreisläufe stärken. Das macht die Arzneimittelversorgung in der EU sicherer und die EU unabhängiger. In der EU-Arzneimittelstrategie muss sichere Versorgung im Vordergrund stehen. Die Linke setzt sich bei den Verhandlungen zum EU-Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel dafür ein, dass die Sicherstellung der Arzneimittelversorgung als wichtige Gemeinwohlaufgabe der Mitgliedstaaten definiert wird. Das muss im EU-Recht Vorrang gegenüber dem freien Binnenmarkt haben. Anreize zur Verlagerung von Produktionskapazitäten müssen durch Auflagen für Versorgungssicherheit flankiert werden (Diversifizierung von Herstellungs- und Zulieferunternehmen, robuste Lieferketten etc.).
Themen: Gesundheit

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Welche Maßnahmen planen Sie, um ein umfassendes Verständnis von Inklusion in der Gesellschaft zu entwickeln und in Kita, Schule, Ausbildung, Studium und Arbeitswelt umzusetzen, damit jedes Kind und jeder Erwachsene mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen sein Potential entfalten kann?
Die Linke versteht Inklusion als einen gesamtgesellschaftlichen Prozess, der jedem Menschen ermöglicht, sein volles Potenzial zu entfalten. Unser Ziel ist es, Barrieren abzubauen und Chancengleichheit in allen Lebensbereichen zu schaffen. Dazu gehört die Umsetzung eines inklusiven Bildungssystems, das Kinder und Erwachsene mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen von der Kita bis zum Studium unterstützt. Wir fördern einen Arbeitsmarkt, der keine Sondersysteme für Menschen mit Behinderung hat, sondern für alle offen ist, und setzen uns für das Recht auf selbstbestimmtes Wohnen ein. Die Verbesserung der Barrierefreiheit in öffentlichen Räumen und im digitalen Bereich ist uns ein besonderes Anliegen, um die Teilhabe aller zu erleichtern. Zudem streben wir eine Gesundheitsversorgung an, die frei von Diskriminierung ist und den Zugang zu notwendigen Therapien vereinfacht. Die aktive Teilnahme an demokratischen Prozessen soll für Menschen mit Behinderungen durch barrierefreie Strukturen ermöglicht werden. Programme zur Gleichstellung und gegen Mehrfachdiskriminierung sind ebenso Teil unserer Agenda. Menschen mit Behinderung und ihre Selbstvertretungsorganisationen müssen uneingeschränkt an demokratischen Prozessen teilhaben können. Auch hierfür müssen inklusive, barrierefreie Strukturen geschaffen werden.
Themen: Inklusion

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Werden Sie mehr Forschungsprojekte und -zentren zum Personenkreis chronisch kranker und behinderter Kinder, Jugendlicher und junger Erwachsener unterstützen? Denn diese fehlen derzeit dringlich.
Die Linke setzt sich für eine andere politische Schwerpunktsetzung in der Gesundheitsforschung ein. Präventions-, Pflege- und Versorgungsforschung sollen Grundlage für eine gemeinwohlorientierte Gesundheitsversorgung werden. Wir wollen daher gezielt Gelder bereitstellen, um die Gesundheitswissenschaften ("Public Health") und die nichtkommerzielle klinische Forschung zu stärken. Entscheidend ist dafür, dass Investitionsstau und strukturelle Unterfinanzierung der Universitätskliniken endlich beseitigt werden und eine freie Forschung an Kliniken überhaupt wieder stattfinden kann. Die Linke unterstützt die Forderung nach einer Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an großen Kohortenstudien, dem Vorsehen eines adäquaten Anteils der Forschungsförderung für Forschung zum Wohl von Kindern und Jugendlichen sowie zusätzliche Fördermittel für Registerstudien.