Wahlprüfstein Europawahl 2024

Deutscher Forstwirtschaftsrat e. V.

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Holz ist ein wichtiger Rohstoff zur Erreichung der Klimaschutzziele (European Bauhaus, Green Economy): Wie sehen Sie in dem Zusammenhang die Bestrebungen zu einer extensiveren Bewirtschaftung und großflächigen Stilllegungen von Wäldern?
Die Linke setzt sich für eine ökologische und sozial nachhaltige Forstwirtschaft ein. Dazu gehört die Stärkung regionaler Wertschöpfungsketten, einschließlich fairer Vermarktung von Forstprodukten. Die Holznutzung (stofflich vor energetisch) muss nachhaltiger und strategischer diskutiert werden. Das Ziel der EU, bis 2030 Renaturierungsmaßnahmen für mindestens 20 Prozent aller Land- und Meeresflächen in der EU einzuführen, unterstützen wir. Im Rahmen der Renaturierungsmaßnahmen müssen auch die Wälder umgebaut werden. Eine extensivere Bewirtschaftung kann zusätzlich helfen, Artenschutzziele zu erreichen. Den Waldumbau möchten wir stärker finanziell unterstützen.

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16 Mio. europäische Waldbesitzer, überwiegend Eigentümer kleiner Waldflächen, leiden unter steigender Bürokratie. Wie wollen Sie bei laufenden und zukünftigen Gesetzesinitiativen (bspw. EUDR) diese Belastungen reduzieren oder ausgleichen?
Für die Partei Die Linke ist die Waldpolitik eine ganzheitliche Aufgabe, die maßgeblich auch gesamtstaatlich verantwortet und mitfinanziert werden muss. Dabei geht es besonders um die Ökosystemleistungen des Waldes und die ausgleichende Koordination von forstwirtschaftlichen, ökologischen, biologischen und für den Menschen ebenso wichtigen Belangen der Erholung und Entspannung. Sofern dieser ganzheitliche Zusammenhang des Waldes berücksichtigt wird, ist Entbürokratisierung der Waldgesetzgebung (europäisch oder national) sehr sinnvoll. Verbindliche Regularien zur Wiederherstellung der Natur haben hier aber aus Sicht der Linken Vorrang vor engeren forstwirtschaftlichen Interessen, zumal die Ökosystemleistungen des Waldes nicht an Marktkriterien ausgerichtet werden können. Nichtsdestotrotz gehört auch die Stärkung der Klein- und Mittelbetriebe im Waldsektor zum Kernanliegen unserer Politik. Die Linke setzt sich für eine staatliche Förderung beim Waldumbau ein - von der Bewirtschaftung bis hin zur Pflege der naturnahen Komplexität des Waldes. Eine staatliche Förderung muss auch einhergehen mit der Unterstützung bei bürokratischen Verfahren bzw. deren Abbau.

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Wälder stellen viele Ökosystemleistungen bereit. Was wollen Sie auf der europäischen Ebene tun, um den Waldeigentümern Einkommen nicht nur aus Holz, sondern z.B. auch aus Leistungen für den Wasserhaushalt, die Biodiversität oder den Naturtourismus zu ermöglichen?
Ökosystemleistungen des Waldes sind, sofern noch keine anderen angemessenen Honorierungssysteme verfügbar sind, mit entsprechenden staatlichen finanziellen Mitteln zu unterstützen. Aus dem Grundsatz, dass der Waldumbau für uns eine gesamtstaatliche Aufgabe ist, ergibt sich zwingend die Bereitstellung öffentlicher Gelder für den Ökosystemleistungstransfer aus dem Wald und in den Wald.

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Die EU hat keine direkte forstwirtschaftliche Kompetenz, jedoch wirken sich die Zuständigkeiten Umwelt,Klima, Landwirtschaft,Energie und EU-Binnenmarkt deutlich auf unsere tägliche Arbeit aus. Wie wollen Sie hierbei einen Folgenausgleich umsetzen und das Bottom Up Prinzip für den Forstsektor wahren?
Die Linke steht für ein ganzheitliches Waldkonzept, das ökologische, ökonomische und erholungsspezifische Aspekte des Waldes berücksichtigt. Aufgrund des Klimawandels und der Anforderungen an eine nachhaltige Ressourcennutzung und Ressourcenschonung kommt es aus unserer Sicht vorrangig darauf an, den Waldumbau voranzutreiben. Der Waldumbau ist für uns eine gesamtstaatliche Aufgabe. Das bedeutet nicht nur die elementare Aufstockung finanzieller Mittel für den Waldumbau, sondern die Umsetzung einer koordinierten Strategie der Agrarpolitik im Zusammenspiel mit sinnvoller Umwelt- und Wirtschaftspolitik. Ein abgrenzendes Ressortdenken muss im Hinblick auf den Wald der Vergangenheit angehören. Es braucht Zielvereinbarungen und Förderprogramme für den Waldumbau auch auf EU Ebene. Der Umbau muss aber vor Ort stattfinden. Daher braucht es wirksame Bottom-Up-Ansätze: Die Expertise der Forstleute und Waldarbeiter*innen vor Ort müssen miteinbezogen werden.

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Waldumbau und naturnahe Waldbewirtschaftung brauchen Fachkräfte. Welche Initiativen planen Sie, um genügend Arbeitnehmer auf dem europäischen Arbeitsmarkt für diese Aufgaben zu qualifizieren und deren Mobilität auch über die Grenzen der Mitgliedsstaaten hinweg zu fördern?
Wesentlicher Bestandteil des Waldumbaus sind für Die Linke: Gute Arbeit in der Forstwirtschaft mit flächendeckenden guten Tariflöhnen und sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze auch für mitarbeitende Familienangehörige oder Saisonarbeitskräfte. Bessere Arbeitsbedingungen erhöhen auch die Attraktivität für Menschen in der Forstwirtschaft zu arbeiten. Junge Menschen wollen wir mit gezielten Bildungsangeboten in Schulen an die gesellschaftliche Bedeutung des Waldes heranführen und damit auch frühzeitig über berufliche Perspektiven informieren.

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Allein seit 2019 gab es über 75 den Wald betreffende EU-Initiativen aus vielen verschiedenen Generaldirektionen: Wie wollen Sie die forstlichen Fachverbände und Expertengruppen einbinden, um deren Expertise frühzeitig einfließen zu lassen?
Die Linke setzt sich dafür ein, dass alle beteiligen Interessensgruppen bei der Erarbeitung von EU-Initiativen frühzeitig einbezogen werden. Sowohl forstliche Fachverbände, als auch Naturschutzverbände und Gewerkschaften müssen in Expertengruppen gleichberechtigt vertreten sein und angehört werden. Gleichzeitig braucht es größtmögliche Transparenz bei allen Konsultationen auf EU-Ebene, um den Einfluss von Lobbyismus sichtbar zu machen.

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Durch den voranschreitenden Klimawandel verändern sich viele ausgewiesene NATURA 2000 – Lebensraumtypen an ihrem Standort unaufhaltsam. Eine statische Bewahrung verbietet sich dadurch. Welche dynamischen Ansätze sind aus Ihrer Sicht erforderlich, um die Richtlinie zukunftsfit anzupassen?
Für die Partei die Linke ist der Erhalt der Wälder - unserer wichtigsten, natürlichen CO2 Speicher - für zukünftige Generationen eine Muss. Sie sind unsere wichtigste Quelle nachwachsender, nachhaltiger Rohstoffe wie Holz und unserer Nahrungsmittel. Ohne Wald, sauberes Wasser und fruchtbare Böden ist Leben nicht möglich. Ihr Erhalt ist in Zeiten des Klimawandels die wichtigste, gesellschaftliche Aufgabe. Teil von NATURA 2000 sind Evaluationsmaßnahmen, Verträglichkeitsprüfungen und Abwägungen zur Bewirtschaftung von FFH-Gebieten. Aus unserer Sicht reichen diese Elemente aus, um die Wiederherstellung der Natur beim Wald zumindest in ersten Schritten zu vollziehen und trotzdem noch Wirtschaftlichkeit bei der Holzgewinnung zu gewährleisten.

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Bekennen Sie sich zum Prinzip der multifunktionalen Forstwirtschaft auf großer Fläche gemäß der Definition von Forest Europe (SFM) oder sehen Sie in einer segregativen Ausrichtung die Zukunft der Forstwirtschaft in Europa?
Die Linke begrüßt die Prinzipien zur nachhaltigen Waldwirtschaft, die von der Ministerkonferenz zum Schutz der Wälder verabschiedet worden sind. Wir wollen die biologische Vielfalt, Produktivität, Regenerationsfähigkeit und Vitalität des Waldes erhalten. Wälder sollen auch in Zukunft wichtige ökologische, wirtschaftliche und soziale Funktionen auf lokaler, nationaler und globaler Ebene erfüllen. Ohne dass dies zu Schäden an anderen Ökosystemen führt. Eine multifunktionale Forstwirtschaft ist die Voraussetzung dafür, die Ökosystemleistungen des Waldes vollständig zur Geltung zu bringen. Die Abtrennung verschiedener Aggregate (Segregation) in der Forstwirtschaft widerspricht dem ganzheitlichen Ansatz der Waldpolitik und wird von uns daher nicht befürwortet.