Wahlprüfstein Europawahl 2024

Öko-Progressives Netzwerk e.V.

1

Welche konkreten Maßnahmen im Bereich Klimaschutz plant Ihre Partei? Welches Potenzial sehen Sie dahingehend in Innovationen wie z.B. Gentechnik, Robotik und Carbon Capture and Storage/Utilization (CCS/CCU)?
Die Linke will die EU bis 2040 klimaneutral machen: Dafür investieren wir massiv in erneuerbare Energien und bringen die Verkehrs- und Agrarwende voran. Das Strommarktdesign muss so umgebaut werden, dass die Preisbildung günstige Preise für Haushalte und Industrie ermöglicht. Für den durchschnittlichen Verbrauch von elektrischem Strom und Heizenergie wollen wir preisgünstige Sockeltarife schaffen. Mehrverbrauch wird teurer. Die Preise müssen stärker überwacht und kontrolliert werden. Der Anteil der Schiene und des ÖPNV im Verkehr müssen steigen - öffentliche Unternehmen müssen bevorzugt und die Direktvergabe in diesem Bereich ausgeweitet werden. Den Anbau von transgenen Pflanzen in der Landwirtschaft lehnen wir ab. CCS möchten wir verbieten (weil zu risikoreich), CCU nur begrenzt anwenden, denn es darf nicht zu einer Verzögerung der Energiewende führen.

2

Welche Aspekte sind für Ihre Partei entscheidend für die Landwirtschaft von morgen? Welche Rolle spielen Neue Genomische Techniken (NGT) dabei und welche Position nimmt Ihre Partei in den aktuellen Verhandlungen um eine neue NGT-Gesetzgebung ein?
Um die Landwirtschaft zukunftsfähig zu machen, braucht es eine grundsätzliche Veränderung. Von einer allein profitorientierten Landwirtschaft hin zu einer bei der Versorgungssicherheit im Mittelpunkt steht. Dafür muss die GAP neu gedacht werden und Förderungen gemeinwohlorientiert werden. Grundsätzlich finden wir Forschung wichtig, sehen allerdings Gefahren, wenn große Unternehmen federführend sind. Die Linke bleibt Verfechterin des Vorsorgeprinzips auch in der Landwirtschaft und demenstprechend auch für NGT.
Themen: Landwirtschaft

3

Die zirkuläre Bioökonomie befasst sich mit der nachhaltigen Nutzung biologischer Ressourcen und einer effizienten Kreislaufwirtschaft. Welchen Stellenwert nimmt dieses Konzept in Ihrer Partei ein? Falls zutreffend: Wie will Ihre Partei konkret den Umbau der Wirtschaft zur Bioökonomie fördern?
Die Kreislaufwirtschaft nimmt einen wichtigen Stellenwert für Die Linke ein, denn die Rohstoffwende kann nur gelingen, wenn genutzte Rohstoffe wiederverwendet werden - in diesem Bereich können auch viele Arbeitsplätze geschaffen werden. Wir fordern höhere gesetzliche Recyclingquoten und höhere Rezyklateinsatzquote in der EU. Wenn aber Bioökonomie zur Inwertsetzung von genetischen Informationen von Pflanzen und Tieren führen, dann sehen wir dies kritisch. Und wenn Lebensmittelproduktion und Bodennutzung durch nachwachsende Rohstoffe weiter unter Druck kommen, so ist dies auch kritisch zu sehen. Die Bioökonomie muss daher durch eine nachhaltige, ökologische, europäische Landwirtschaftspolitik flankiert werden. Im Zentrum der Bioökonomie müssen stehen: gerechte Macht-, Verteilungs- und Beteiligungsverhältnisse.

4

Welche konkreten Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität plant Ihre Partei? Welche Rolle nehmen a) die Landwirtschaft und b) die Konzepte Rewilding/Restoration (Maßnahmen zur Wiederherstellung natürlicher Ökosysteme) dabei ein?
Die Linke sagt im Wahlprogramm: »mehr Wildnis wagen«. Wir wollen unsere natürlichen Lebensgrundlagen erhalten und zerstörte Ökosysteme wiederherstellen: saubere, schadstofffreie Gewässer, Böden und Luft und eine wachsende biologische Vielfalt. Nur eine intakte Natur sichert auch das Leben für uns Menschen. Wir kämpfen deshalb für die Umsetzung eines wirksamen Renaturierungsgesetzes. Wildtiere und ihre Lebensräume müssen besonders geschützt werden. Internationale Arten- und Naturschutzabkommen, insbesondere das aktuelle Kunming-Montreal-Abkommen, müssen in der EU konsequent umgesetzt werden. Schutzgebiete wie Natura 2000 und Wildnisflächen wollen wir ausweiten. Darüber hinaus unterstützen wir einen neuen EU-Naturschutzfonds, um die Aufgaben (zum Beispiel die Wiedervernässung von Mooren) aus dem sogenannten Nature Restoration Law zu finanzieren. Die Linke unterstützt den Vorschlag, die Natur als Rechtssubjekt anzuerkennen und den Straftatbestand des Ökozids in europäisches und internationales Recht aufzunehmen.

5

Die nachhaltige Versorgung der Bevölkerung mit proteinreichen Lebensmitteln stellt eine große Herausforderung dar. Welche Perspektiven sehen Sie in alternativen Möglichkeiten, wie pflanzlichen Proteinquellen oder neuartigen Verfahren wie der Präzisionsfermentation oder Fleisch aus Zellkultur?
Als Linke ist für uns das Menschenrecht auf angemessene Ernährung von zentraler Bedeutung. Gerade hochwertige Proteine müssen bezahlbar sein. Dementsprechend setzen wir uns z.B. für die Ausweitung der Prämien für das Anpflanzen von Hülsenfrüchten ein. Außerdem wollen wir die Aufklärung zum Thema pflanzliche Proteine in der Gesellschaft verbessern. Gesunde Ernährung muss überall Teil der Schulbildung werden. Wenn es um Verfahren wie die Herstellung von Fleisch aus Zellkulturen geht, dann stellt sich uns weiterhin die Frage der Skalierbarkeit. Oft wird bei der Frage der nachhaltigen Versorgung vernachlässigt. Weitere Forschung ist hier nötig.

6

Wie planen Sie die Integration von wissenschaftlichen Institutionen und aktuellen Forschungsergebnissen in die Europäische Politik? Falls zutreffend: Wie will Ihre Partei die Interaktion von Politik und Wissenschaft fördern?
Horizon Europe ist derzeit mit 95,5 Mrd. € ausgestattet und partizipierte bis 2024 noch zusätzlich vom nextGenerationEU-Programm. Vernetzung, Mobilität, die Anerkennung von Abschlüssen und die Konzipierung Europäischer Abschlüsse durch die Europäische Politik finden wir sinnvoll. Einem freien Innovationsbegriff steht jedoch die derzeitige Anbindung der Europäischen Forschungsförderung an den Industrieausschuss entgegen, während Hochschulpolitik im Kultur- und Bildungsausschuss verhandelt wird. Diese Engführung der Forschungsförderung schränkt das Innovationsverständnis tendenziell auf technologischen Fortschritt ein. Wissenschaftliche Evalution, Erforschung und Kooperation zu Themen sozialer Innovationen, wie zum Beispiel in der Humangeografie, Stadtplanung und vielen anderen Wissensgebieten, werden ausgeklammert. Die Linke fordert daher mehr Investitionen in den Europäischen Forschungsraum ab 2028, unter Inklusion der Förderung kritischer Gesellschaftswissenschaften. Damit unterstützen wir auch aktiv Wissenschaftsfreiheit.

7

Welche Strategie verfolgen Sie zur Förderung von fairen Arbeitsbedingungen und nachhaltigen Karriereperspektiven für jungen Wissenschaftler*innen in der EU, um deren Abwanderung ("Brain Drain") zu verhindern?
Die Linke setzt sich dafür ein, dass Grundlagen- und anwendungsorientierte Forschung in der EU gleichermaßen gefördert wird. Junge Wissenschaftler*innen müssen in Hochschulen mehr Mitbestimmung erhalten. Die Linke fordert, dass EU-Forschungs- und Bildungsprogramme, die zu 100 % ausgeschöpft sind, angemessen finanziert werden. Mit dem Auslaufen des NextgenerationEU-Programms Ende 2024 entstehen sonst Finanzierungslücken. Für den nächsten MFR fordern wir deshalb mindestens 60 Mrd. € für Erasmus+. "Europe on the move" & der Talent-Pool sind nicht ausreichend, um mehr Mobilität schon im Studium auszubauen, mehr Frauen und Menschen aus Drittstaaten auch nach dem Studienabschluss in der Forschungsarbeit zu halten. Junge Wissenschaftler*innen brauchen langfristige Perspektiven über die Graduiertenzeit hinaus sowie Unterstützung bei Veröffentlichungen und der Verwirklichung eigener, auch unternehmerischer Ideen.

8

Welche Technologien identifiziert Ihre Partei als Schlüsseltechnologien für die Zukunft und wie möchte Ihre Partei diese fördern? Wie setzen Sie sich für Innovation aus Europäischer Forschung sowie Unternehmenskultur ein?
Für die sozialökologische Transformation der Wirtschaft brauchen wir nicht nur Technologien, die die fossile Energiebasis durch erneuerbare Energien ersetzen, sondern auch für gerechte ökologische Übergange in vielen verschiedenen Branchen, ob Automobilindustrie oder Stahlindustrie. Deshalb ist es sinnvoll, Schlüsseltechnologien weiter zu fassen, da sich diese auf ganze Infrastrukturen (Beispiel Energie: Ökostrom, Netzausbau, Produktion von grünem Wasserstoff, Wasserstoffnetze, digitale Steuerung, etc.), auf verschiedene Industriezweige und veränderte Arbeitswelten beziehen. Technologieinnovationen müssen mit der Orientierung auf Kreislaufwirtschaft, grüne Leitmärkte (Energie, Verkehr, Logistik u. a.) sowie Innovationen in der öffentlichen Beschaffung für Kommunen und Regionen zusammengedacht, entwickelt und gefördert werden. Letztlich erreichen wir jedoch nur eine Akzeptanz für die Förderung grüner Technologien, wenn diese sichtbar das soziale Leben verbessern: preiswerten Wohnraum schaffen, kurze Wege, gute und familienfreundliche Beschäftigung und Weiterbildung in Aussicht stellen und damit konsequent in ein Konzept wachsender sozialer Sicherheit eingebunden sind.