Wahlprüfstein Europawahl 2024

Zentralverband Gartenbau e.V. (ZVG)

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Die ausreichende Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln ist für den Gartenbau von großer Bedeutung. Bereits jetzt führt der Wegfall vieler Wirkstoffe zu teils unlösbaren Problemen für die Betriebe. Wie wollen Sie die Wirkstoffgenehmigung und Genehmigungserneuerung in Europa verbessern?
Als Linke liegt uns eine zukunftsfähige Landwirtschaft am Herzen. Wir dürfen nicht weiter so produzieren, dass Grundwasser verschmutzt oder unsere Artenvielfalt zerstört wird. Deswegen setzen wir auf Forschung für eine sozialökologische Agrarwende. Wir setzen auf das Vorsorgeprinzip, weil es in der Natur zur Akkumulation von Schadstoffen, wie auch zu Reaktionen miteinander kommt. Bei Genehmigungen darf deshalb nicht leichtfertig gehandelt werden. Die menschliche Gesundheit muss dabei über wirtschaftlichen Interessen stehen. Dafür bedarf es allerdings auch starker Lieferkettengesetze, die dafür sorgen, dass die europäische Wirtschaft nicht durch ausländische Produkte zerstört wird. Wir wollen also hohe und faire Standards für alle.

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Zum Bodenschutz bestehen bereits weitgehende Regelungen, bspw. GAP, Düngerecht, nationales Bodenschutzrecht. Das geplante „EU-Bodenüberwachungsgesetz“ würde die Betriebe zusätzlich belasten. Wie wollen Sie Doppelvorschriften verhindern? Welche neuen Vorschriften sehen Sie als erforderlich an?
Die Linke unterstützt ein rechtlich verbindliches EU-Bodengesundheitsgesetz, einschließlich konkreter Verpflichtungen, den ökologischen Zustand der Böden tatsächlich zu verbessern und starken Bestimmungen für nachhaltige Bodennutzung. Das Ziel des aktuell vorliegenden EU-Richtlinienvorschlags besteht darin, bis 2050 alle Böden in der gesamten EU in einem gesunden Zustand zu haben. Es handelt sich zunächst nur um eine gemeinsame Definition und einen Überwachungsrahmen. Die Überwachung wird von den Mitgliedstaaten durchgeführt, d.h. von den zuständigen Behörden, nicht von Landwirten oder Grundbesitzern. Vorgesehen ist, dass die Mitgliedstaaten kontaminierte Standorte in einem öffentlichen Register identifizieren und abbilden müssen. Die erhobenen Daten werden auch bei der Umsetzung anderer Politiken wie GAP, LULUCF und Wasserwirtschaft helfen. Die Mitgliedstaaten müssen außerdem Maßnahmen zur nachhaltigen Bodenbewirtschaftung und -regenerierung festlegen, um das Bodengesundheitsziel bis 2050 zu erreichen. Die Linke hat diesen Gesetzesvorschlag unterstützt und wird für weitere Verbesserungen eintreten.

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Die Taxonomieregeln gelten für große kapitalmarktorientierte Unternehmen. Es wird aber jetzt schon sichtbar, dass Nachhaltigkeitsanforderungen und Berichtspflichten auf kleine Unternehmen abgeladen werden. Wie stellen Sie sicher, dass auf den Gartenbau keine neuen Anforderungen zukommen?
Die Linke setzt sich für ein verbindliches Bewertungs- und Klassifikationssystem (Taxonomie) für Geldanlagen auf europäischer Ebene ein, damit nachhaltige Geldanlagen interessanter werden und transparent identifiziert werden können. Neben Klimaschutz müssen auch soziale Aspekte stärker berücksichtigt und durch strenge Kriterien abgebildet werden. Leitlinie sollten die Ziele der UN zur nachhaltigen Entwicklung (SDG) sein. Wenn es uns gelingt, Investitionsflüsse immer mehr in nachhaltige Sektoren umzuleiten, wird dies den Unternehmen im Gartenbau besonders zugutekommen. Wie für uns alle gilt, dass auch für den Gartenbau die größte Anforderung durch den drohenden Klimawandel zukommt. Doch wer könnte sich besser als Ziel nachhaltiger Investitionen empfehlen als die naturverbundenen Gartenbaubetriebe? Die Linke ist sehr dafür, Unternehmen vor Doppelungen im Berichtswesen zu schützen. Ein Weg wären Datenbanken, in die bestimmte Informationen nur einmal zur Abfrage bereitgestellt werden.

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Die Einführung des ETS II würde zu einer massiven Anhebung des CO2-Preises führen. Vorgaben zu Energieaudits gefährden den Gartenbau in Deutschland. Wie wollen Sie gegen Carbon-Leakage-Effekte vorgehen und die Wirtschaftlichkeit der gärtnerischen Produktion in Deutschland sichern?
Die Klima- und Energiepolitik der EU-Kommission setzt auf den Markt. Doch der Energiemarkt versagt. Die Strompreise explodieren, weil sich Energiekonzerne am Merit-Order-Prinzip bereichern. Die Energiearmut in der EU steigt. Statt den Strommarkt zu reformieren, wird der Emissionshandel auf den Verkehr- und Wärmebereich ausgedehnt und die Menschen in der EU noch stärker belasten. Die LINKE lehnt ETS-2 daher ab. Stattdessen müssen verbindliche Klimaziele und Emissionsgrenzen gesetzt und deren Erreichen wie in den USA durch ambitionierte Förderprogramme und staatliche Infrastrukturprogramme flankiert werden. So würden auch Carbon Leakage Effekte verhindert und Gartenbauunternehmen profitieren. Auch Verkehr und Wohnen sollte nicht in ETS-2 einbezogen werden. Eine pauschale Bepreisung von CO2 im Individualverkehr und im Wohnbereich lehnen wir ab, weil es sozial ungerecht ist. Das trifft diejenigen, die auf ihr Auto angewiesen sind und zur Miete wohnen und die oft keine Alternative haben.

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Zur Unterstützung der Wirtschaft hat die EU einheitliche Förderkriterien festgelegt. Bei den De-minimis-Beihilfen gibt es ein großes Ungleichgewicht zwischen dem Agrarsektor und den sonstigen Wirtschaftszweigen. Werden Sie sicherstellen, dass die Agrarbeihilfen nach oben angepasst werden?
Bei der Förderung sollte es weniger um den Sektor, sondern um das gesellschaftliche Interesse gehen, auf dem der Willen zur Ausgabe gemeinschaftlicher Mittel gründet. Die LINKE will das Europäische Beihilferecht grundlegend ändern und dafür die Artikel 101 und 107 (AEUV) der EU-Verträge modernisieren. Kartellrechtliche und subventionsrechtliche Ausnahmen müssen zugelassen werden, wenn die Förderung den 17 UNO-Zielen für eine nachhaltige Entwicklung (SDGs) dient und /oder wenn die Beihilfen einen wesentlichen Beitrag für den sozialen und ökologischen Umbau der Wirtschaft leisten. Als Sofortmaßnahme muss der befristete EU-Krisenrahmen (TCF) ausgeweitet und verstetigt werden. Dieser erleichtert Beihilfen. Auch eine Änderung der EU-Regeln für die öffentliche Auftragsvergabe würde Gartenbaubetrieben helfen, wenn nämlich Bund, Länder, Städte und Kommunen neben sozialen, arbeitsrechtlichen und ökologischen Kriterien auch zur Förderung der lokalen Wirtschaft ausschreiben und entscheiden dürften.

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EU-weit werden hochwertige Produkte unter strengen Umwelt- und Sozialstandards produziert. Dies können die EU-Verbraucher jedoch derzeit nicht ausreichend erkennen und honorieren. Sehen Sie die Notwendigkeit, das Ursprungsland von Obst und Gemüse in verarbeiteten Lebensmitteln zu kennzeichnen?
Ja. Wir setzen uns für eine EU-weite, transparente und verlässliche Herkunfts-, Nachhaltigkeits- und Regionalkennzeichnung ein (sustainable food system law).

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Die EU-Saat- und Pflanzgutrichtlinien werden aktuell überarbeitet - Insbesondere die geplante neue Wertprüfung bei Obst- und Gemüsesorten sehen wir kritisch. Wie können die Folgen für alle Betroffenen in der Wertschöpfungskette geringgehalten werden?
Negative Folgen können gering gehalten werden, in dem wir dafür sorgen, dass alle mit den gleichen Spielregeln spielen. Das heißt, dass wir die gleichen Regeln für den Import von Produkten nach Europa anlegen und diese auch kontrollieren. Mit der Forderung nach einer gemeinwohlorientierten GAP wollen wir insbesondere die heimische Obst- und Gemüseproduktion stärken.

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Betriebsleiter sind immer stärker durch ausuferndes Antragswesen und übermäßige Dokumentationspflichten im Büro eingebunden, die Zeit für die gärtnerische Produktion wird immer geringer. Wo wollen Sie Erleichterungen schaffen, die auch außerhalb des GAP-Systems für die Betriebe greifen?
Unnötige Bürokratie abbauen ist richtig: Die zweckgerechte Verwendung öffentlicher Mittel muss dennoch weiter dokumentiert werden und überprüfbar sein. Umwelt-, Klimaschutz und Rechte für Beschäftigte dürfen nicht unter dem Deckmantel des Bürokratieabbaus verringert werden. Wir wollen Regelungen übersichtlich, einfach und transparent gestalten, um den bürokratischen Aufwand zu verringern. Die bisher unübersichtliche Vielzahl von Förderprogrammen der EU wollen wir deshalb zusammenlegen und den Zugang vereinfachen. Der administrative Aufwand für Unternehmen kann außerdem durch mehr digitale Verfahren deutlich verringert werden. Gut ausgestattete öffentliche Verwaltungen (mit ausreichend Personal und aktuellen IT-Systemen) reduzieren zudem den Zeitaufwand für Unternehmen. An vielen Stellen haben in den vergangenen Jahren kaputt gekürzte öffentliche Verwaltungen zu höherem Zeitbedarf geführt. Das wollen wir ändern für eine gut funktionierende Zusammenarbeit zur Zufriedenheit aller Beteiligten.