Wahlprüfstein Europawahl 2024

dbb jugend

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Wie beurteilen Sie die Maßnahmen „Stärkung der Jugendgarantie“ sowie „Schaffung einer Europäischen Jugendarbeitsagentur“ zur Beratung, Vermittlung und Weiterbildung junger Menschen und Senkung der Arbeitslosigkeit in der EU?
Die Jugendgarantie ist grundsätzlich sinnvoll, sie muss allerdings ausreichend finanziert werden, um Jugendarbeitslosigkeit wirksam zu beseitigen. Anerkannte Einrichtungen wie die ILO oder Eurofound veranschlagen den Bedarf auf mehr als das Doppelte: mindestens 50 Milliarden Euro. Die Jugendgarantie muss auch tatsächlich jungen Menschen zu Gute kommen, um beispielsweise überbetriebliche Aus- und Weiterbildungsverbünde zu fördern. Unternehmen missbrauchen teilweise die Unterstützungen aus der Jugendgarantie, um prekäre Arbeitsverhältnisse zu schaffen. Das wollen wir verbieten. Sinnvoll ist die Anhebung des Alters, so dass junge Erwerbslose bis 29 unterstützt werden können. Wichtig ist, dass Gewerkschaftsjugend und Jugendverbände in die Entwicklung von Maßnahmen einbezogen werden. Ob eine eigene Agentur geschaffen wird oder es reicht, bestehende Formate wie EURES auszubauen, ist aus unserer Sicht nicht entscheidend. Es muss darum gehen, die Unterstützung für junge Menschen zu erhöhen. Mit einem Ausbau des öffentlichen Beschäftigungssektors kann direkt Einfluss genommen werden auf die Unterstützung besonders benachteiligter Jugendlicher.

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Wie möchten Sie der fortschreitenden Akademisierung in der EU entgegenwirken?
Ausbildungsberufe sind attraktiv, wenn sie gute Entlohnung, gute Arbeitsbedingungen und verlässliche Zukunftsperspektiven bieten. Dazu gehören auch Weiterqualifizierungsmöglichkeiten und ausreichende Ausbildungsentgelte. Das ist längst nicht in allen Berufen der Fall, auch nicht solchen, in denen Fachkräfte dringend gesucht werden. Die Linke setzt sich für gute Entgelte und gute Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten ein - in den Mitgliedsländern und durch europaweite Standards. Öffentliche Arbeitgeber sollten mit gutem Beispiel vorangehen. Stärkeres Interesse für Ausbildungsberufe kann zudem mit gezielten flächendeckenden Beratungsangeboten geweckt werden, die auf die Situation junger Menschen angepasst sind. Die Jugendgarantie kann hier eine wichtige Rolle spielen, wenn sie der Aufgabe gerecht wird, junge Menschen in Praktika, Ausbildung oder in Arbeit zu vermitteln. Das Bildungsprogramm Erasmus+ sollte noch stärker auf Ausbildungsberufe ausgerichtet werden.

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Wie planen Sie interkulturelle Kompetenz und Vielfalt bei den Beschäftigten im öffentlichen Dienst zu fördern?
Anonymisierte Bewerbungsverfahren und Quoten sind Mittel, um den Anteil von Menschen mit Migrationsgeschichte in der öffentlichen Verwaltung entsprechend ihrem Anteil in der Bevölkerung zu erhöhen. Vielfalt bei den Beschäftigten erleichtert ein Bewusstsein für unterschiedliche Lebenssituationen und Bedürfnisse. Vertiefende Fortbildungen für Beschäftigte im öffentlichen Dienst sind zudem wichtiger Baustein, um interkulturelle Kompetenz zu fördern. Dazu gehört ausreichend Personal, um die Zeit für Fortbildungen, Beratung und Supervision zu ermöglichen. Mangel an Ressourcen führt oft dazu, dass Bedarfe, die mehr Zeit oder Aufmerksamkeit erfordern, leichter unter den Tisch fallen. Interkulturelle Kompetenz sollte auch schon in der Schule stärker gefördert werden, z.B. indem Sprachen wie Türkisch oder Arabisch als Wahlpflichtfächer angeboten werden. Partizipationsräte sollten bei wichtigen Entscheidungen in Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft einbezogen werden; migrantische Selbstorganisationen müssen Teil davon sein.

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Welche Rollen spielen für Sie (bezahlte) Praktika vor dem Hintergrund der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit?
Bezahlte Praktika können eine Orientierung für den Einstieg ins Berufsleben und ein Beitrag zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit sein. Wichtig sind einheitliche Qualitätskriterien und eine angemessene, verbindliche Vergütung. Oft werden Praktikant*innen jedoch als billige Arbeitskräfte ausgebeutet. Die Unterstützung durch die EU-Jugendgarantie missbrauchen Unternehmen teilweise zur Schaffung von unbezahlten Praktika. Das wollen wir verbieten. Eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit kann der öffentliche Beschäftigungssektor spielen; der muss dringend ausgebaut werden. Damit kann direkt Einfluss genommen werden auf die Unterstützung besonders benachteiligter Jugendlicher.

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Was muss sich Ihres Erachtens hinsichtlich der Arbeitsmarktmobilität in der EU ändern, um mehr Fachkräfte zu gewinnen und in die Arbeitsmärkte der EU zu integrieren?
In den EU-Verträgen muss unmissverständlich festgelegt werden, dass soziale Grundrechte und sozialer Fortschritt auch im Konfliktfall Vorrang vor Unternehmens-„Freiheiten“ und Wettbewerbsregeln haben. Arbeitsmobilität in der EU darf nicht dazu führen, dass Beschäftigte ausgebeutet werden und die soziale Absicherung ausgehebelt wird oder ein Dumpingwettbewerb um die niedrigsten Löhne und schlechtesten Arbeitsbedingungen organisiert wird. Das Unterlaufen von Arbeitsstandards muss unterbunden werden. Um die Beschäftigten zu schützen, muss die EU europaweite Beratungsstellen für mobile Beschäftigte dauerhaft und ausreichend finanzieren. Agenturen dürfen nur in gute Arbeitsbedingungen vermitteln. Dazu gehört voller Sozialversicherungsschutz in jedem Arbeitsverhältnis ab dem ersten Tag. Arbeitsschutzkontrollen müssen im Sinne der Beschäftigten ausgebaut werden. Ausländische Abschlüsse und Qualifikationen müssen besser anerkannt werden, damit Menschen ihre Berufe weiter ausüben können.

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Wie stehen Sie zur gegenseitigen Anerkennung von Bildungs- und Berufsabschlüssen in und außerhalb der Mitgliedstaaten sowie zu einer Harmonisierung von Abschlüssen?
Die Linke setzt sich für die Anerkennung von Bildungs- und Ausbildungsabschlüssen in Europa ein, um Hürden abzubauen. Auch Abschlüsse und Qualifikationen aus Nicht-EU-Ländern müssen zügig anerkannt werden, damit Menschen ihre Berufe weiter ausüben können. Wichtig ist ein System zur Qualitätssicherung bei der Anerkennung. Wir wollen keine Absenkung von Standards. Wir stellen uns auch einem ausschließlich an Arbeitsmarktqualifikationen ausgerichteten Bildungsverständnis entgegen. Und wir setzen uns dafür ein, dass Arbeitsbedingungen und Bezahlung insbesondere in Berufen mit Fachkräftemangel verbessert werden, statt ausgebildete Beschäftigte aus anderen Ländern abzuwerben, die dort dann fehlen für die Versorgung der Bevölkerung.

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Wie kann der öffentliche Dienst in der EU an Attraktivität gewinnen und welche Rolle spielt hierbei die Digitalisierung und das Berufsbeamtentum?
Um Berufe im öffentlichen Dienst ebenso wie in anderen Branchen attraktiv zu machen, sind gute Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen zentral. Beschäftigte müssen sich darauf verlassen können, für ihre Arbeit ein faires Einkommen, soziale Sicherheit, gute Bedingungen und ausreichend Zeit zu bekommen. Zehntausende Stellen im öffentlichen Dienst wurden in den letzten Jahrzehnten gestrichen, so dass viele Ämter überlastet sind und ihre Aufgaben kaum noch sachgerecht erfüllen können. Das geht auf Kosten der Beschäftigten, die neben dem Arbeitsstress häufig noch den Ärger der Bürger*innen abbekommen. Digitalisierung und eine gute IT-Ausstattung in den Dienststellen ist absolut notwendig. Dennoch braucht es deutlich mehr Personal, um die Belastung der Beschäftigten zu reduzieren. Um die öffentlichen Dienste ausreichend zu finanzieren, müssen riesige Vermögen und Konzerngewinne wieder gerecht besteuern werden. Nötig ist eine gute soziale Absicherung für alle Beschäftigten, dann scheint uns das Berufsbeamtentum nicht erforderlich.
Themen: Digitalisierung

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Wie gelingt es Ihres Erachtens demokratiefeindliche Entwicklungen innerhalb (und außerhalb) der EU einzudämmen und was wird Ihr Beitrag dazu sein?
Der Eindruck, dass Arbeit nicht mehr zu einem guten Leben führt und dass die Sorgen vieler Menschen für die Regierung kaum eine Rolle spielen, untergräbt Vertrauen in Demokratie. Löhne und Renten sind bei vielen zu niedrig, Preise und Mieten oft unerschwinglich, medizinische Versorgung besonders auf dem Land gefährdet, Bahn und Bus unzuverlässig, Schulen und Brücken marode. Das schürt Frust und Ärger über eine Politik, die daran wenig ändert. Rechte verschweigen, dass Umverteilung hin zu Millionären und Konzernen daran Schuld ist - und dass sie das fortsetzen wollen. Damit Menschen sich nicht mehr gegeneinander ausspielen lassen, muss die Politik dafür sorgen, dass die Gesellschaft wieder für alle funktioniert. Mit guten Löhnen, sozialer Sicherheit, verlässlichen öffentlichen Dienstleistungen und Investitionen in sozialen und klimagerechten Umbau der Wirtschaft. Riesige Vermögen und Konzerngewinne müssen dafür wieder stärker beitragen. Die Linke setzt sich dafür ein, dass Arbeit gut bezahlt wird und öffentliche Dienstleistungen so auskömmlich finanziert werden, dass sich alle auf die Demokratie verlassen können.