Wahlprüfstein Europawahl 2024

Future Skills Alliance: Netzwerk von ca. 50 Bildungsinitiativen in Deutschland

1

Wie planen Sie als Partei, das Bildungssystem angesichts aktueller und zukünftiger gesellschaftlicher Herausforderungen zu verbessern? Insbesondere interessiert uns, wie Sie flexible Lehrpläne gestalten wollen, die auf zukunftsweisende Fähigkeiten ausgerichtet sind.
Um gesellschaftliche Herausforderungen zu meistern, dürfen wir uns keine klugen Köpfe entgehen lassen. Leider ist der Zugang zu Bildung stark von der sozialen Herkunft abhängig und viele Lernende zerbrechen an Konkurrenz und Notendruck. Bildung muss mehr sein als die Befähigung für den Arbeitsmarkt. (Hoch-)Schulen müssen europaweit als offene, soziale und demokratische Einrichtungen gestaltet und verstanden werden, an denen Lehre und Forschung sich frei und unabhängig von Markt und Profit, aber in gesellschaftlicher Verantwortung entwickeln können. Für die Umsetzung von flexiblen Lehrplänen müssen erst die richtigen Bedingungen geschaffen werden. Weil marode Schulen, Lehrkräftemangel und Mangel an Hilfs- und Lehrmitteln uns daran hindern, flexibel zu sein, müssen wir zuerst dort ansetzen – wir brauchen Hunderttausende zusätzliche Lehrkräfte in Deutschland und Europa.
Themen: Bildung

2

Wie möchten Sie dazu beitragen, traditionelle Schulmethoden zu überwinden und flexiblere Lernumgebungen zu schaffen, die sich auf den Lernenden konzentrieren und sein individuelles Potenzial fördern?
Lehrkräfte haben im aktuellen Bildungssystem nur wenige Möglichkeiten, innovative Schulmethoden anzuwenden, weil sie mit grundlegenderen Herausforderungen konfrontiert sind. Wenn Schulgebäude marode sind, Lehrmittel nicht zur Verfügung stehen und Stunden ausfallen müssen, weil es zu wenig Lehrkräfte gibt, dann sind flexible Lernumgebungen ein ferner Traum. Wir müssen in Bildung investieren, um das anzugehen. Digitalisierung an Schulen wollen wir durch Laptops für alle Lernenden, WLAN an den Schulen und Planstellen für die IT-Infrastruktur vorantreiben. Mindestens 50 Milliarden Euro sind allein in Deutschland nötig, um die Schulen zu sanieren. Die EU fokussiert sich in der Bildungspolitik darauf, Menschen auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten. Wir wollen emanzipatorische Bildung, die Kreativität, Kritik- und Handlungsfähigkeit und Solidarität fördert. Wir brauchen längeres gemeinsames Lernen in einer sozialen Durchmischung statt sozialer Selektion.
Themen: Bildung

3

Planen Sie Maßnahmen, damit die Bildung effektiver auf die Anforderungen einer globalisierten Welt reagieren kann und traditionelle Lernmodelle durch projektbasiertes, kollaboratives und teamorientiertes Lernen ersetzt wird, um die Entwicklung kollaborativer Fähigkeiten zu unterstützen?
Ja. Dazu müssen wir der fortschreitenden Ökonomisierung der Bildung eine Absage zu erteilen. Um kollaboratives und teamorientiertes Lernen zu fördern, brauchen wir sozial offene, kritische und emanzipatorische Bildung und entsprechend demokratische, bedarfsgemäß finanzierte Einrichtungen. Emanzipatorische Bildung fördert Kreativität, Kritik- und Handlungsfähigkeit, Solidarität und historisch-politisches Bewusstsein. So lernen wir, die gesellschaftlichen und globalen Schlüsselprobleme der Menschheit zu bearbeiten. Interkultureller Dialog, humanistische Bildung und demokratischer Austausch fördern ein teamorientiertes Lernen in einer globalisierten Welt. Wir müssen uns von der Logik der Wettbewerbsfähigkeit verabschieden, um zu kooperativen Lösungsansätzen im Angesicht gesellschaftlicher Krisen zu kommen. Diesen Ansatz bereits in der Schule zu vermitteln, ist der Schlüssel hin zu einer zukunftsfähigen Bildung.
Themen: Bildung

4

Wie könnte ein modernes Bildungssystem gestaltet werden, das die Kompetenzen der Lernenden besser erfasst, den Wettbewerbsdruck mindert und auf teamorientierte, kollaborative Bewertungsmethoden setzt, um ein Umfeld des gemeinsamen Lernens zu schaffen und Stress bei den Schülern verringert?
Ein längeres gemeinsames Lernen ist wichtiger Bestandteil darin, ein Umfeld des gemeinsamen Lernens zu schaffen. Die frühe Zuteilung von Bildungschancen und die Zwei-Klassen Schule in Deutschland muss überwunden werde. Es darf nicht nur darum gehen, eine kleine europäische Bildungselite herauszubilden. Alle Programme müssen stärker für Interessent*innen mit Behinderungen und andere benachteiligte Gruppen ausgelegt werden. Eine Schule für alle, eine ganztägige Gemeinschaftsschule mit guter Betreuung und interessanten Angeboten, mit gesundem, kostenlosem Mittagessen und ohne Hausaufgaben fördert alle Kinder und gleicht unterschiedliche Startbedingungen aus.
Themen: Bildung

5

Wenn Sie Bildungsreformen anstreben: Planen Sie, Bildungsakteure stärker einzubeziehen und formale sowie informelle Lernumgebungen besser zu integrieren, um ein ganzheitliches und kontextübergreifendes Lernen zu fördern und Schulen sowie Lehrkräfte effektiver zu unterstützen?
Ja, Die Linke strebt eine Bildungswende an: Wir wollen in Bildung und Gerechtigkeit investieren. Das heißt: Schulen sanieren und zusätzliche Erzieher*innen und Lehrkräfte ausbilden und einstellen - das schafft zudem Entlastung für die Kolleg*innen. Wenn Schulklassen zu groß sind, verursachen sie einen höheren Lärmpegel und mehr Stress für die Lehrkräfte. Viele reduzieren ihre Arbeitszeiten oder gehen vorzeitig in Rente, weil sie die Belastung nicht aushalten. Die Linke tritt gegen Privatisierungen im Bildungsbereich ein. Public Private Partnerships in Schulen und Hochschulen öffnen Profitinteressen Tür und Tor und gefährden demokratische Mitbestimmung in den Bildungseinrichtungen. Stattdessen sollen Lernende, Lehrende und Eltern über Schule mitentscheiden können. Wir wollen Demokratie, Selbstverwaltung der Schulen und insbesondere die Mitbestimmungs­rechte der Schüler*innen an den Schulen stärken.
Themen: Bildung

6

Wie planen Sie die Förderung digitaler Kompetenz bei allen Lehrenden sicherzustellen und welche Schritte sind Ihres Erachtens notwendig, um Schulen mit moderner digitaler Infrastruktur auszustatten, um den Anforderungen der heutigen Zeit gerecht zu werden?
Die IT-Infrastruktur aller Schulen und Hochschulen muss mit schnellen und leistungsfähigen Breitbandanschlüssen, WLAN, Lern- und Arbeitsräumen und einer zeitgemäßen Hard- und Softwareausstattung ausgebaut werden. Die IT-Infrastruktur an Schulen muss durch Fachpersonal betreut werden. Entsprechende Planstellen sollen kurz- und mittelfristig geschaffen werden. Zudem wollen wir offene Software und Open Educational Resources (OER) fördern. Medienkompetenz muss umfassend gestärkt werden: in Schule und Unterricht, in der Arbeitswelt, in zivilgesellschaftlichen Projekten und bis ins hohe Alter. Beschäftigte müssen einen Anspruch haben, für berufliche Weiterbildung freigestellt zu werden. Das gilt natürlich auch für Lehrkräfte, die sich in digitaler Kompetenz weiterbilden wollen. Das ausfallende Gehalt der Beschäftigten müssen die Schulen über einen Weiterbildungsfonds ersetzen.
Themen: Bildung

7

Planen Sie Maßnahmen zur Sicherstellung bundesweit gerechter Bildungsstrukturen? Welche konkreten Maßnahmen sehen Sie vor, um Ungleichheiten zu mindern, eine erfolgreiche Arbeitsmarktintegration zu fördern, Demokratie und Teilhabe zu stärken sowie die Integrationsbedingungen zu verbessern?
Ja. Die Linke setzt sich in Deutschland und Europa dafür ein, dass Bildung gerechter wird. Wir streiten für ein Bildungssystem, das überall in Europa und von der Kita bis zur Promotion ohne Gebühren öffentlich bedarfsgerecht finanziert und sozial durchlässig organisiert ist. Dazu gehören kostenlose Schulmaterialien und Mittagessen an Schulen. Eine Schule für alle, eine ganztägige Gemeinschaftsschule mit guter Betreuung und interessanten Angeboten, mit gutem Essen und ohne Hausaufgaben fördert alle Kinder und gleicht unterschiedliche Startbedingungen aus. Wir brauchen an jeder Schule flächendeckende Ganztagsbetreuung und Schulsozialarbeit. Damit sich nicht nur Jugendliche aus reichen Elternhäusern einen Auslandsaufenthalt leisten können, müssen die Förderprogramme der EU ausgebaut werden. Mehrsprachigkeit bei Lernenden mit Migrationshintergrund ist eine Bereicherung, die genutzt werden soll - deshalb fordern wir die Förderung von Lehrkräften, die Deutsch als Zweitsprache unterrichten.
Themen: Bildung

8

Wie stehen Sie zu dem Vorhaben, eine übergeordnete Bildungskommission einzusetzen, um die Grundlagen der Bildung neu zu definieren und zukunftsfähige Lernformen zu entwickeln, die den sich wandelnden Anforderungen der Gesellschaft gerecht werden?
Grundsätzlich finden wir die Idee attraktiv, Bildung neu zu definieren, um unserer Bildungssystem gerechter zu gestalten und die Lernenden auf die sozialen und ökologischen Krisen der Zukunft vorzubereiten. Wir unterstützen deshalb auch die Idee einer übergeordneten Bildungskommission, die eine derartige Bildungsreform begleiten und demokratisch gestalten könnte. Allerdings sehen wir die Gefahr, dass eine derartige Bildungskommission bei den Fragen, auf die wir schon Antworten haben, nicht weiterhilft und zur Politikshow verkommt. Wir wissen: Unser Bildungssystem ist ungerecht, weil die Schüler*innen im Alter von neun oder zehn Jahren selektiert werden. Die Schulen sind marode und es fehlen Lehrkräfte, weil in den letzten Jahren viel zu viel an der Bildung gespart wurde. Deshalb plädieren wir dafür, zuerst oder zumindest gleichzeitig mit der Gründung einer Bildungskommission umzusteuern und in ein gerechtes und zukunftsfähiges Bildungssystem zu investieren.