Wahlprüfstein Europawahl 2024
Europäische Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz e.V.
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Welche Haltung nehmen Sie zum Vorschlag der belgischen Ratspräsidentschaft bezüglich der Chatkontrolle zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern ein ?
Auch die Vorschläge der belgischen Ratspräsidentschaft zur Chatkontrolle-Verordnung sind inakzeptabel. Die Linke lehnt Client-Side-Scanning im Kontext von Chatkontrolle und Staatstrojanern strikt ab. Dies allein genügt aber nicht, um die geplante Chatkontrolle-Verordnung und die damit verbundene Grundrechtsverletzung zu stoppen. Massenhaftes Scannen privater Kommunikation muss generell unterbunden werden. Ausnahmen von der ePrivacy-Richtlinie wie sie derzeit schon bestehen, sind inakzeptabel. Stattdessen fordern wir die Wiederaufnahme der Arbeit an der ePrivacy-Verordnung, die ein konsequentes Recht auf Verschlüsselung beinhalten muss. Die geplante Chatkontrolle-Verordnung und auch alle Kompromissversionen derselben lehnen wir in allen Punkten ab. Dazu zählen auch die Vorhaben zur verpflichtenden Altersverifikation und zu Netzsperren. Durchaus dringliche Maßnahmen für mehr Schutz von Kindern vor sexualisierter Gewalt können wir hier nicht erkennen.
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Halten Sie eine Altersverifikation im Internet ohne übermäßige Eingriffe in die informationelle Selbstbestimmung der Nutzenden für sinnvoll und wie ließe sie sich ggf. realisieren?
Es gibt durchaus technisch gut und datensparsam umsetzbare Wege für eine Altersverifikation. So kann über die elektronischen Funktionen des Personalausweises die Volljährigkeit als einfache Ja/Nein-Abfrage erfolgen, ohne dass Geburtsdatum oder Identitäts-Schlüsselmaterial übermittelt werden. Abzulehnen ist hingegen eine Auslegung der eIDAS-Verordnung dergestalt, dass diese Abfragen ohne den Personalausweis als Chipkarte erfolgen können. Dies würde die informationelle Selbstbestimmung gefährden und Barrieren gegen die Gefahr der Überidentifikation zu Fall bringen. Das Recht auf anonyme Internetnutzung muss gewahrt bleiben. Ausweispflichten sind generell auf das absolut notwendige Minimum zu beschränken. Sie bergen stets die Gefahr, Menschen ungewollt auszugrenzen oder bestehende soziale Probleme weiter zu verschärfen. Alterskontrollen im Internet helfen dem Jugendschutz unserer Auffassung nach nicht.
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Haben Sie (als Spitzenkandidat/in) ein TikTok-Account oder planen Sie, ein solches einzurichten ? Was sind die Gründe für Ihre Entscheidung ? Wie beurteilen Sie die Praxis von TikTok im Hinblick auf die Vorgaben des EU-Rechts zum Datenschutz, zur Transparenz und zur Verhinderung von Fakenews?
Ja, unser Spitzenkandidat Martin Schirdewan und andere unserer Parlamentarier*innen nutzen TikTok. Die Transparenz der Arbeitsweisen der großen Plattformen, sowie die Bekämpfung von Fakenews sind in diversen Gesetzen geregelt (AVMD-RL, DSA, Medienfreiheitsgesetz u. a.). Doch die Durchsetzung zeigt immer wieder, dass Löschpraxen und Streitbelegungsmechanismen die redaktionelle Verantwortung, Quellenbewertung, Recherche ersetzen.
Im April 2024 hat die EU erstmalig gegen TikTok in Frankreich und Spanien, wenn auch wegen anderer Risiken für Jugendliche, ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Dies zeigt, dass die technologische und wirtschaftliche Entwicklung der weltweiten Plattformen noch immer schneller ist, als die Gesetzgebung der EU. Die Reichweite der Plattformen ist trotzdem attraktiv für politische Kommunikation und wird von einigen unserer Parlamentarier*innen genutzt.
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Werden Sie sich für eine Weiterentwicklung der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten der europäischen Institutionen hin zu einer Europäischen Transparenzverordnung einsetzen ?
Im Art. 15 III AEUV & der Grundrechtecharta Art. 42 wurde der Zugang zu öffentlichen Dokumenten in Anlehnung an Art.255 EG in den Verfassungsrang erhoben. Neben Rat, dKommission & Parlament, die Dokumentenregister vorhalten, gelten nun auch Veröffentlichungspflichten für den EuGH, EZB und die EIB, allerings nur hinsichtlich ihrer Verwaltungsaufgaben. Das Amtsgeheimnis wird der rechtfertigungsbedürftige Ausnahmefall.
2023 forderte das EP unter Beteiligung DER LINKEN & auf Druck von 18 NGOs den Zugang zu Dokumenten des EuGH bei Grundsatzprozessen.
Mit der EU-Offenlegungsverordnung für Finanzinstitute (2021) ist die Bewertungsmöglichkeit von Investitionen & Finanzprodukten stärker in das öffentliche Interesse gerückt. Zeitgleich wurde die EU-Transparenzverordnung für Finanzberater verabschiedet, die verlangt, dass ökologische & soziale Nachhaltigkeitsrisiken dokumentierter Teil der Beratung sind. Auch wenn diese Transparenzpolitiken private Institutionen betreffen, könnte deren Priorisierung - eine Gesetzesbewertung hinsichtlich ihrer sozialen und ökologischen Folgen - ein interessanter Maßstab sein, um die VO 1049/2001 weiter zu entwickeln. Über den Zugang zu Dokumenten der EU-Institutionen (inkl. Handels- & Völkerrechtsverträge. s. Pfizer) und deren Werdegang (legislative train, inkl. Trilog) hinaus, müssen wir mehr Transparenz über Tätigkeiten der Abgeordneten, Kommissions- und Ratsmitglieder sichern, um demokratiezersetzenden Lobbyismus erkennen & ausschließen zu können.