Wahlprüfstein Europawahl 2024

Deutscher Volkshochschul-Verband e.V.

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Wie planen Sie, die allgemeine Erwachsenenbildung zu fördern, um den digitalen Wandel, den Green Deal und die Stärkung der Demokratie voranzutreiben, und sicherzustellen, dass alle Altersgruppen und Lebenshintergründe mit Bildungsangeboten erreicht werden?
Die Linke fordert, dass die europäische Säule sozialer Rechte, wie das Recht auf Bildung, verbindlich einklagbar wird. Das Ziel ist, Bildungsangebote für alle Erwachsenen in der EU zu schaffen. Bis 2030 soll eine Weiterbildung pro Jahr für 60 % aller Erwachsenen Alltag werden. Die Linke fordert, die europäischen Schuldenregeln zu überarbeiten, damit Länder und Kommunen u.a. mehr in Bildung investieren können. Die Linke wird im Europaparlament für einen Ausbau der frühkindlichen und der Erwachsenenbildung streiten: Soziale und kulturelle Inklusion müssen im neuen mehrjährigen Finanzrahmen und 2030 (nach dem ersten Aktionsplan zur Säule sozialer Rechte) in den Mittelpunkt europäischer Bildungspolitik rücken.

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Wie stellen Sie sicher, dass lebenslanges Lernen zu einer zentralen Priorität in der EU-Politik wird, und unterstützen Sie die Einrichtung eine*r EU-Kommissar*in oder Vizepräsident*in für Lebenslanges Lernen sowie einer interfraktionellen Gruppe für Lebenslanges Lernen im Europäischen Parlament?
Wir setzen uns für lebenslanges, lebensbegleitendes Lernen ein: als Angebot, nicht als Pflicht zur Selbstoptimierung. Volkshochschulen, die oft gemeinnützig arbeiten, machen oft bereits hervorragende Angebote für die Erwachsenenbildung. Die Volkshochschulen müssen finanziell gestärkt werden, damit sie ihr Leistungsangebot ausbauen und kostenfrei anbieten können. Lebenslanges Lernen muss vor Ort umgesetzt werden - die EU kann dies dadurch unterstützen, indem die Kommunen finanziell entlastet und mehr finanzielle Spielräume in der öffentlichen Daseinsvorsorge ermöglicht werden. Das Recht auf lebenslanges Lernen ist Teil der Europäischen Säule sozialer Rechte. Die Linke fordert, dass die Säule sozialer Rechte mit einem individuellen Recht auf Bildung verbunden wird. Für uns ist wichtig, dass ein* EU-Kommissar*in oder Vizepräsident*in für Lebenslanges Lernen mit angemessenem Budget ausgestattet wird und an die bisherigen Ansätze von gemeinnützigen Volkshochschulen anknüpft.

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Inwiefern treten Sie dafür ein, dass die Mittel für non-formale Erwachsenenbildung in Erasmus+, Horizon Europe und dem ESF+ deutlich erhöht werden, um eine angemessene Finanzierung der Erwachsenenbildung in allen EU-Ländern sicherzustellen?
Die Linke setzt sich für eine öffentlich verantwortete und ausreichend finanzierte Weiterbildung ein. Dafür wollen wir Volkshochschulen wohnortnah ausbauen und die Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte verbessern. Lehrkräfte dürfen sich nicht von einem befristeten Projekt zum nächsten hangeln müssen. Vielmehr sind für Daueraufgaben auch Dauerstellen zu schaffen. Die Linke fordert daher auch auf europäischer Ebene mehr Investitionen in Bildung und Forschung, insbesondere für kritische Gesellschaftswissenschaften. (Die in der Förderung bisher zu kurz kommen). Die Linke möchte ESF+ in Zukunft zu einem echten sozialen Haushalt für EU-Bürger*innen ausbauen. Die Mittel müssen dafür massiv erhöht werden. Darüber hinaus fordern wir mindestens eine Verdopplung der Mittel des erfolgreichen Erasmus+ Programms im nächsten mehrjährigen Finanzrahmen (nach 2027).

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Wie möchten Sie sich dafür einsetzen, dass die Umsatzsteuerbefreiung für Angebote der non-formalen und gemeinwohlorientierten Erwachsenenbildung in den Mitgliedstaaten rechtssicher umgesetzt werden kann?
Die Linke setzt sich im Bundestag und Europaparlament dafür ein, Angebote der gemeinwohlorientierten Erwachsenenbildung von der Umsatzsteuer zu befreien. Wir werden weiter Druck auf die Regierungsparteien machen, diesen Missstand zu korrigieren. Wir folgen dabei der Argumentation des Volkshochschul-Verbandes: berufliche Weiterbildung und Bildung zu freizeitlichen Zwecken kann nicht getrennt werden. Die Übergänge zwischen beiden sind fließend. Daraus ergibt sich kein finanzpolitisches Argument für die Erhebung von Umsatzsteuern. Die Umsatzsteuer verteuert Bildungsangebote und verhindert damit die soziale und kulturelle Teilhabe vieler Menschen.

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Wie planen Sie, den Zugang zu Erwachsenenbildung für alle, insbesondere für "bildungsferne" Gruppen und Benachteiligte, sicherzustellen, Berufs- und Lernberatung für jeden zugänglich zu machen und informelles und non-formales Lernen in die Nationalen Qualifikationsrahmen einzubeziehen?
Die Linke setzt sich konsequent für Bildungsgerechtigkeit ein: Das gilt auch für Erwachsenenbildung. Die allgemeine, kulturelle und berufliche Weiterbildung ist ein wichtiger Teil der davon. Sie dient der Entwicklung der Einzelnen und der beruflichen Fortbildung oder Umorientierung und fördert gesellschaftliche Teilhabe. Wir setzen uns dafür ein, die Volkshochschulen finanziell zu stärken. Sie sollen ihr Leistungsangebot ausbauen und kostenfrei anbieten können. Insbesondere letzteres ist zentral für uns, denn so sind die Angebote zugänglich für alle. Wir setzen uns zudem dafür ein, dass Menschen ohne abgeschlossene Ausbildung einen anerkannten Berufsabschluss machen können.

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Wie stehen Sie zu der These, dass es eine EU-Richtlinie über das Recht auf transnationalen bezahlten Bildungsurlaub benötigt, die auch die Förderung von Kinderbetreuungs- und Pflegeprogrammen einschließt, damit sie erwachsene Lernende in allen individuellen Lebenssituationen genutzt werden kann?
Die Linke unterstützt diese These vollumfänglich. Bildungsurlaub und europaweite Mobilität muss allen möglich sein, unabhängig von Pflege und Betreuungspflichten - und auch für Erwerbslose, denn das Recht auf bezahlten Bildungsurlaub ist eine wichtige Errungenschaft und ein wichtiger Teil von Erwachsenenbildung. Von lernenden Beschäftigten profitieren alle - auch die Arbeitgeber. Die realen familiären und partnerschaftlichen Situationen der individuellen Antragsteller*innen zu berücksichtigen sollte dabei Standard sein und schließt geförderte Kinderbetreuung und Pflegemöglichkeiten ein. Die Linke will zudem Bildungsfreistellung für alle Beschäftigten und alle Weiterbildungsbereiche bundesweit gesetzlich sichern, nicht nur für die berufliche Weiterbildung.

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Welche konkreten Initiativen und Strategien planen Sie zur Verbesserung der Anerkennung, Arbeitsbedingungen und Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten für Erwachsenenbilder*innen im Europäischen Bildungsraum?
Eine entscheidende Voraussetzung sind gute Arbeitsbedingungen und gute Entlohnung bei allen Trägern und Bereichen der Erwachsenenbildung. Die Situation von Erwachsenenbildner*innen unterscheidet sich in den Mitgliedsländern in der EU. Da Bildung kein eigentliches EU-Thema ist, ist klar: Wir müssen die Arbeitsbedingungen von Erwachsenenbildner*innen in den Mitgliedsländern stärken. In Deutschland sind die Arbeitsverhältnisse in der Erwachsenenbildung oft prekär. Das wollen wir ändern. Lehrkräfte in der Weiterbildung brauchen einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag, der sich am öffentlichen Dienst orientiert, für alle Bereiche der Weiterbildung. Die Arbeitsagenturen und andere öffentliche Auftraggeber müssen bei der Vergabe die Qualität von Bildung und eine gute Bezahlung der Lehrkräfte in den Mittelpunkt stellen. Bei der Vergabe von Bildungsdienstleistungen durch die Bundesagentur für Arbeit sollen die geltenden tariflichen Bestimmungen für alle Anbieter verbindlich sein.

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Wie kann eine Erhebung über den Stand der Erwachsenenbildung in die Länderberichte und die länderspezifischen Empfehlungen der EU-Kommission integriert werden, die insbesondere die Punkte Partizipation und Finanzierung berücksichtigt?
In den EQR-Zuordnungsberichten der Mitgliedsstaaten ist bisher die Struktur der Qualifikationssegmente der beruflichen Bildung erfasst, um Vergleichbarkeit und Anerkennung von Berufsqualifikation und Kompetenzen in der EU herzustellen. Ansonsten ist die Erwachsenenbildung nach wie vor ein Stiefkind der Bildungsforschung, wie der am 15.06.2023 als Nr. 81 in der Schriftenreihe „International Perspectives in Adult Education“ (IPE) veröffentlichte Bericht eindrucksvoll darlegt. Die Linke setzt sich dafür ein, dass Erwachsenenbildung anerkannter Teil der EU-Bildungsforschung wird. Die systematische Erfassung von Erwachsenenbildung ist ein erster Schritt, um sicherzustellen, dass Erwachsenenbildung die hohen Anforderungen an Bildungs-, Aus- und Weiterbildungsbedürfnissen erfüllen kann, auch um damit zur Bewältigung der sozialen und ökologischen Krisen beizutragen.
Themen: Bildung