Wahlprüfstein Europawahl 2024

Europaverband der Selbständigen - Deutschland (ESD) e.V.

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Was sind die programmatischen Schwerpunkte der KMU-Europapolitik Ihrer Partei?
Die Linke will regionale Lieferketten stärken. Bei öffentlichen Ausschreibungen der Kommunen wollen wir lokale Unternehmen mit guten Arbeitsbedingungen bevorzugen. Das entlastet von Bürokratie und hilft vor allem kleinen und mittleren Unternehmen. Wir wollen die Förderung für den Strukturwandel massiv ausweiten und Mittel für alle Regionen bereitstellen, die von der Transformation betroffen sind. Über die Verwendung dieser Mittel bestimmen regionale Gremien, in denen die lokalen Unternehmen vertreten sind. Um den bürokratischen Aufwand zu verringern, wollen wir die unübersichtliche Vielzahl von Förderprogrammen der EU zusammenlegen und den Zugang vereinfachen. Mit guten Löhnen für alle Beschäftigten stärken wir Kaufkraft und Nachfrage. Handwerker, Bäckereien und Gastwirte spüren schmerzlich, wenn in der Nachbarschaft das Geld für viele Dienstleistungen fehlt. Öffentliche Investitionen in eine nachhaltige Infrastruktur stärken die Grundlage der Wirtschaft und wirken als Konjunkturprogramm.

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Welche sind die nach Ihrer Ansicht drei relevantesten europapolitischen Themen der neuen Legislaturperiode für Soloselbständige, kleinste und kleine Unternehmen in Deutschland und Europa?
Soloselbständige und Beschäftigte in Kleinstunternehmen brauchen eine gute soziale Absicherung. Die Coronapandemie hat gezeigt, wie verletzlich gerade kleine Selbständige sind, die oft nur begrenzte Rücklagen haben. Die Linke setzt sich dafür ein, dass alle Arbeitenden durch die sozialen Sicherungssysteme geschützt werden. Auftraggeber*innen müssen auch für Soloselbstständige, die als Kleinunter nehmer*innen, Freiberufler*innen, Handwerker*innen, Schausteller*innen und Gewerbetreibende arbeiten Sozialversicherungsbeiträge zahlen, damit die Selbständigen mit dem Risiko nicht allein bleiben. Dazu brauchen wir branchenspezifische Mindesthonorarregelungen, die Soloselbstständige vor einem ruinösen Preiswettbewerb schützen. Bei öffentlichen Aufträgen wollen wir statt des bisher geltenden Zwangs zu europaweiter Ausschreibung einen Vorrang für regionale Angebote mit guten Arbeitsbedingungen festschreiben. Das stärkt kleine Unternehmen vor Ort und trägt zu Nachhaltigkeit und Klimaschutz bei.

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Welche mittelstandspolitischen Erfolge, insbesondere hinsichtlich der Entlastung und der Verbesserung der Rahmenbedingungen für Soloselbständige, kleinste und kleine Unternehmen, konnten Sie in der vergangenen Legislaturperiode durchsetzen bzw. anstoßen?
Die Linke achtet besonders bei der Gesetzgebung über die Strukturfonds darauf, dass EU-Förderung nicht nur die Big-Player unterstützt, sondern die Regionen und Bevölkerungsgruppen, die sie besonders brauchen – auch freiberuflich Tätige, Soloselbständige,Kleinstunternehmen und KMU. Es gibt bereits EU-Leitlinien, die Tarifverhandlungen von Soloselbstständigen ermöglichen, indem sie vom Wettbewerbsrecht ausgenommen sind.Es braucht zusätzlich eine europäische Regelung zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Soloselbstständige. Auftraggeber*innen sollen auch für sie Sozialversicherungsbeiträge zahlen müssen und branchenweite Mindesthonorare geregelt werden. Die Linke setzt sich dafür ein, dass EU-Fördermittel leichter zugänglich werden. Wir wollen vereinfachte Kostenoptionen bei den EU-Strukturfonds anwenden. Das bedeutet, dass bei vielen Arten von EU-geförderten Projekten zunehmend mit Förderpauschalen pro Teilnehmer*in statt einzelnen Rechnungsbelegen gearbeitet werden kann. Die Einhaltung von ökologischen, sozialen und Beteiligungs-Kriterien für die Vergabe von EU-Fördermitteln muss allerdings auch sinnvoll überwacht werden.

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Wie steht Ihre Partei zum KMU-Hilfspaket der EU-Kommission und welche weitergehenden Vorschläge zur darüberhinausgehenden Förderung der Soloselbständigen, kleinsten und kleinen Unternehmen haben Sie?
Eine allgemeine Bevorzugung von KMU halten wir nicht für sinnvoll, denn 99 Prozent der europäischen Unternehmen fallen unter die KMU-Definition, auch viele große und umsatzstarke. Soloselbständige und Kleinstunternehmen werden damit nicht wirksam gestärkt. Beispielsweise ermöglicht eine Besteuerung am Sitz der Hauptniederlassung vor allem größeren Unternehmen, weniger Steuern zu zahlen. Soloselbständige und Kleinstunternehmer haben wenig davon. Ein elektronisches Formular für Entsendungen darf nicht dazu führen, dass weniger kontrolliert wird, sondern muss Kontrollen erleichtern. Sonst geraten insbesondere kleine Unternehmen durch unlautere Entsendungen unter Druck. Damit kleine Unternehmen leichter öffentliche Aufträge erhalten, braucht es nicht in erster Linie standardisierte Verfahren, sondern weniger europaweite Ausschreibungen. Die Linke setzt sich dafür ein, dass bei öffentlichen Aufträgen lokale Anbieter mit guten Arbeitsbedingungen bevorzugt werden.

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Welche konkreten Maßnahmen zur bürokratischen Entlastung für Soloselbständige, kleinste und kleine Unternehmen streben Sie an?
Die Linke setzt sich für die Entlastung aller von ausufernden Anträgen und Formularen sowie für schnellere Bearbeitung in den Behörden ein. Durch die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen ist der Wust an Anträgen, Ausschreibungen und zu beachtenden Vorschriften immens gestiegen. Das bindet viel Arbeitszeit, die für andere wichtige Aufgaben fehlt. Unnötige Anträge, Formulare und Nachweise wollen wir vermeiden. Regeln sollen möglichst klar und verständlich sein. Nicht nur für Unternehmen, auch für Sozialleistungen, Krankenhäuser und Bildungseinrichtungen. Ämter brauchen ausreichend Personal, um Anträge zügig zu bearbeiten und Bürger*innen und Unternehmen zu beraten und bei Anträgen zu unterstützen. Das hilft Soloselbständigen und Kleinstunternehmen, die keine umfangreiche Verwaltung oder Rechtsabteilung haben. Gleichzeitig muss überprüfbar und nachweisbar bleiben, dass Arbeitsschutz, Umwelt- und Sozialstandards eingehalten werden. Das schützt die Unternehmen, die die Regeln einhalten, vor unfairer Konkurrenz.

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Welche konkreten Maßnahmen zur Vereinfachung von Steuervorschriften für grenzüberschreiend tätige Soloselbständige, kleinste und kleine Unternehmen schlagen Sie vor?
Viele Soloselbständige verfügen über keine sehr hohen Einnahmen. Die Finanzierung öffentlicher Aufgaben wurde durch die Regierungen der letzten 30 Jahre immer stärker auf mittlere und kleine Einkommen verschoben. Steuern für Riesenvermögen, Konzerngewinne, Kapitaleinkommen und Millionenerbschaften wurden dagegen gesenkt. Die Linke setzt sich für eine grundlegende Reform der Steuerpolitik ein, bei der kleine und mittlere Einkommen entlastet werden und sehr hohe Einkommen und Millionenvermögen stärker beitragen. Nach dem Einkommensteuerkonzept der Linken würden alle weniger Steuern zahlen, die bis zu 6.500 Euro brutto im Monat haben (als Single, Steuerklasse I). Zu versteuernde Einkommen unter 14.400 Euro im Jahr bleiben steuerfrei. Der Steuerverlauf wird abgeflacht. Gerade mittlere Einkommen würden davon profitieren, da ein höherer Freibetrag bedeutet, dass nur auf das darüberhinaus gehende Einkommen überhaupt Steuern gezahlt werden müssen.

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Mit welchen konkreten Maßnahmen wollen Sie die Soloselbständigen, kleinsten und kleinen Unternehmen bei der digitalen Transformation unterstützen?
Wir brauchen flächendeckend schnelles Internet und Handyempfang. Sonst klingt digitale Transformation für Unternehmer in ländlichen Gegenden wie Hohn. Vielerorts in Deutschlands gibt es Empfangslücken und nur langsames Internet, da die profitorientierten Netzbetreiber an flächendeckendem Ausbau kein Interesse haben. Wir wollen den Glasfaserausbau in Deutschland mit jährlich 10 Milliarden Euro fördern. Der Netzausbau muss am Ziel zuverlässiger Versorgung und Gemeinwohl orientiert erfolgen. Dazu müssen die Breitband- und Mobilfunknetze in öffentliche Hand. Soloselbständige und Kleinstunternehmen brauchen auch Rückhalt bei der Sicherheit der IT-Systeme. Schwachstellen können große Schäden anrichten und teuer werden. Für die Sicherheit der Systeme und Daten in der gesamten Wertschöpfungskette brauchen wir die Verplichtung der Hersteller schon bei der Technikgestaltung. Zudem wollen wir Freie Software fördern, bei der Probleme schneller erkannt und behoben werden können. Wir wollen gemeinwohlorientierte Vermittlungsplattformen fördern, die kleine Anbieter nicht benachteiligen.

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Welche konkreten Maßnahmen fordern Sie speziell zur Unterstützung der Soloselbständigen, kleinsten und kleinen Unternehmen bei der Entwicklung und dem Einsatz von KI?
Die Linke setzt sich für nachvollziehbare Algorithmen ein, damit ethische Standards sichergestellt werden können. Bei der Verwendung von Trainingsmaterial für KIs muss gewährleistet werden, dass die Nutzung nicht gegen den Willen der Urheber*innen stattfindet. Sonst findet eine ungerechtfertigte Enteignung der Leistungen von Journalist*innen, Architekt*innen, Gestalter*innen oder Musikschaffenden zu Gunsten großer Unternehmen statt. Kreative müssen zudem angemessen entschädigt werden, wenn ihre Werke zum Trainieren von KIs genutzt werden. Bei der Entwicklung und beim Einsatz von KI-basierten Tools müssen daher ausreichend Transparenz und Rechtskonformität sichergestellt sein. Denn auch der Output einer KI kann bei hinreichender Ähnlichkeit zu Werken, mit denen sie trainiert worden ist, eine Rechtsverletzung darstellen. Die EU soll Forschung zu gesellschaftlich nützlichen Anwendungen von KI fördern und kritische Forschung zu Risiken von KI öffentlich finanzieren.