Wahlprüfstein Bundestagswahl 2025
Humanistischer Verband Deutschlands - Bundesverband e.V.
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30 Jahre nach Inkrafttreten der UN-Kinderrechtskonvention hat der Bundestag erneut eine Aufnahme der Kinderrechte in das deutsche Grundgesetz versäumt. Werden Sie sich für Kinderrechte im Grundgesetz in einem eigenständigen Absatz, ohne unmittelbare Verknüpfung mit den Elternrechten, einsetzen?
Ja. Die Linke hat sich in der Vergangenheit für die volle Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention eingesetzt und wird dies auch weiterhin tun. Die Verankerung eigenständiger Kinderrechte im Grundgesetz würde die Bindung an die UN-Kinderrechtskonvention und das Prinzip des Vorrangs des Kindeswohls ("best interest") in allen staatlichen Entscheidungen verbindlicher machen. Kinderrechte müssen diskriminierungsfrei und unabhängig vom Willen und den materiellen Möglichkeiten der Eltern gelten. Selbstverständlich müssen die zuständigen Behörden und Einrichtungen entsprechend ausgestattet werden, um dieses Recht wirksam umsetzen zu können.
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Die bisherigen Anstrengungen zur Abwendung katastrophaler Klimaänderungen waren zu gering. Das 1,5 Grad Ziel ist verfehlt. Welche Anstrengungen wollen Sie unternehmen, um dramatische Änderungen unserer Lebensbedingungen zu verhindern?
Die Linke will den Klimaschutz wieder stärken und sozial gerecht machen. Die Ampel hat die Sektorziele im Klimaschutzgesetz abgeschafft und mit Steuergeld klimaschädliches Flüssiggas (LNG) gefördert. Das hat den Klimaschutz geschwächt. Wir wollen die Sektorziele wieder herstellen: Deutschland soll bis 2040 klimaneutral werden. In der EU müssen die Emissionen bis 2030 um 70% reduziert werden. Hierfür soll es verbindliche CO2-Budgets für jeden Mitgliedstaat geben. Wir wollen massiv investieren: in eine echte Energiewende mit sozial-gestaffelten Preisen, eine sozial gerechte Wärmewende und eine Verkehrswende hin zu mehr und bezahlbaren ÖPNV und Bahnverkehr. Für den sozialen-ökologischen Umbau der Industrie legen wir einen Investitionsfonds von 200 Milliarden Euro auf. Mehrkosten für die Bürgerinnen und Bürger durch steigende CO2-Preise kompensieren wir mit einem sozialen Klimageld von 320 Euro. Das ist gerecht und schafft wieder Akzeptanz für Klimaschutz.
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Die Kommission zur Reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin hat 2024 eine grundlegende Reform des § 218 StGB empfohlen. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass der von den Schwangeren gewollte Abbruch in den ersten Schwangerschaftsmonaten legal ist?
Ja, denn körperliche und sexuelle Selbstbestimmung sind zentrale Voraussetzungen für eine eigene Lebens- und Familienplanung. Die Linke setzt sich für einen selbstbestimmten Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches ein. § 218 StGB muss gestrichen werden. Er kriminalisiert schwangere Frauen und gefährdet ihre Gesundheit. Wir wollen den Schwangerschaftsabbruch als medizinischen Eingriff neu regeln. Schwangerschaftsabbrüche und deren Nachsorge müssen Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen sein und fester Bestandteil des Studiums, der Aus- und Weiterbildung von Ärzt*innen. Neben der Legalisierung wollen wir Schwangerschaftsabbrüche entstigmatisieren. Ärzt*innen, die Abbrüche durchführen, dürfen nicht mehr schikaniert werden. Auch Hebammen sollen Abrüche durchführen können. Die Versorgungslage ungewollt Schwangerer muss verbessert werden. Die weltanschaulich neutralen Beratungsstellen müssen ausgeweitet und besser finanziert werden.
Themen:
Gesundheit,
Frauenrechte
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Über 80 Prozent der deutschen Bevölkerung spricht sich für Suizidhilfe aus. Die Rechtssicherheit und -klarheit für Ärzt*innen im Fall von Freitodhilfen ist zu verbessern. Werden Sie sich hierfür und für flächendeckende Suizidberatungsstellen einsetzen?
Ja. Wir wollen, dass Menschen sich für einen Suizid entscheiden können, wenn ansonsten nur noch eine palliativmedizinische Schmerzbehandlung mit starker Beeinträchtigung möglich ist. Voraussetzung sollte außerdem sein, dass die Menschen nichtkommerzielle Beratungsstellen aufsuchen können, in denen sie ergebnisoffen beraten werden. Medizinische, psychologische und palliativmedizinische Optionen müssen offen besprochen und den Betroffenen eine wirklich informierte Entscheidung ermöglicht werden. Wenn eine solche Beratung erfolgt ist und die Menschen sich für einen Suizid entscheiden, müssen Ärzt*innen Rechtssicherheit genießen, wenn sie dazu Hilfe leisten. Wichtig ist für uns auch, dass Menschen eine solche Entscheidung wirklich frei treffen können - dazu gehört nicht nur die Feststellung, dass von außen kein Druck etwa durch die Familie ausgeübt wird, sondern das Gesundheitssystem so ausgestattet ist, dass der Freitod nicht die Alternative zu einer ungenügenden und würdelosen Pflegesituation ist.
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Das BMBF fördert vier religiöse, aber kein weltanschauliches Förderwerk. Dem humanistischen Bertha-von-Suttner Studienwerk wird die Förderung verweigert. Unterstützen Sie die strukturelle Gleichbehandlung und Gleichstellung von nichtreligiösen/humanistischen Menschen in der Begabtenförderung?
Ja. Nichtreligiöse und humanistische Studierende und Promovierende dürfen nicht einfach auf die weiteren Studienwerke verwiesen werden, die im Rahmen der Begabtenförderung Stipendien vergeben. Solange das Glaubensbekenntnis neben der besonderen Begabung als Qualifikation für ein Stipendium anerkannt wird, muss es Alternativen für Menschen mit einer humanistischen Weltanschauung geben.
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Unterstützen Sie neben religiöser Militärseelsorge die Etablierung von humanistischer Militärseelsorge zugunsten von konfessionell nicht gebundenen Angehörigen der Bundeswehr?
Die kirchliche Militärseelsorge in ihrer heutigen Form wollen wir abschaffen. Sie führt zu einer engen Verzahnung von Militär und Kirche und bindet letztlich die religiöse Militärseelsorge an einen militärischen Zweck, die Kampffähigkeit der Soldatinnen und Soldaten auch bei ethischen Zweifeln an ihrem Tun aufrechtzuerhalten. Wir wollen dieses System durch Seelsorgeverträge der Bundeswehr mit religiösen und Weltanschauungsgemeinschaften ersetzen, der allen Soldatinnen und Soldaten den Zugang zu einer Seelsorge sichert, die ihren Bedürfnissen entspricht.
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Abwechselnd werden jedes Jahr entweder der Kirchen-/Katholikentag in einer Stadt in Deutschland begangen und u.a. auch vom Bund bezuschusst. Würden Sie sich dafür einsetzen, dass analog dazu die Durchführung des Welthumanist*innentages am 21. Juni in einer deutschen Stadt bezuschusst wird?
Ja. Wenn der Staat religiöse Großveranstaltungen noch über die ohnehin vorhandene Finanzierung der Kirchen hinaus bezuschusst, muss eine solche Finanzierung auch großen weltanschaulichen humanistischen Vereinigungen zugänglich sein.
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§68 des MStV räumt der Evangelischen und der Katholischen Kirche sowie den Jüdischen Gemeinden Sendezeit zur Übertragung religiöser Sendungen ein. Unterstützen Sie die Forderung, dass dies auch Weltanschauungsgemeinschaften ermöglicht wird, wie es beispielsweise schon in einigen RStV geregelt wurde?
Ja. Die Linke steht für die Gleichbehandlung religiöser und weltanschaulicher Vereinigungen. Ein wachsender Teil der Bevölkerung wird durch die Religionsgemeinschaften nicht mehr repräsentiert und fühlt sich durch ihre Angebote nicht mehr angesprochen. In einer religiös und weltanschaulich vielfältigen Gesellschaft sollen alle religiösen und Weltanschauungsgemeinschaften das gleiche Recht auf Repräsentation und die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit haben, sich mit den verschiedenen Anschauungen auseinanderzusetzen.