Wahlprüfstein Europawahl 2024

Deutsch-Bulgarische Elterninitiative "Jan Bibijan" e.V.

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Würden Sie sich dafür einsetzen, dass die Sprachabschlüsse des bulgarischen Konsulatsunterrichts (HSU) der D-BG-Elternini in Münster europaweit anerkannt werden, um Integration und Chancengleichheit für Schüler zu gewährleisten?
In einer Europäischen Union der vielen Sprachen (im Europa-Parlament sind 23 Sprachen offziell angerkannte Sprachen) stellt sich in vielen Situationen wie in der Schule, im Studium, in der Ausbildung oder im Beruf die Frage, wie das Niveau des Spracherwerbs und der Fertigkeiten, wie man mit einer Sprache umgeht, verglichen und anerkannt werden können. Jedoch ist der Spracherwerb keine europäische Kompetenz, sondern verbleibt auf nationaler Ebene. Die EU-Mitgliedsstaaten haben sich jedoch freiwillig auf einen solchen Rahmen, den "Gemeinsame Europäische Referenzrahmen" geeinigt: https://www.europaeischer-referenzrahmen.de/ Da nicht jede/r und in allen Mitgliedsstaaten das Niveau des Spracherwerbs der D-BG-Elternini in Münster einschätzen kann, ist es aus unserer Sicht sinnvoll, den Maßstab am Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen anzulegen, denn dann kann die Vergleichbarkeit allgemein festgestellt werden. Das hätte den Vorteil, dass dann die Anerkennung allgemein in allen EU-Staaten sichergestellt werden kann.
Themen: Bildung

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Sollte der Begriff "Armutsmigration", wie vom Städtetag (2013) für Migration von Bulgaren und Rumänen nach Deutschland verwendet, auch innerhalb der EU anerkannt werden? Neuburger (2021) betrachtet diese Bezeichnung als Form des Ausschlusses, der Abwehr und Verdrängung von EU-Binnenmigranten.
Die Freizügigkeit von Arbeitnehmern in der EU ist eine Freiheit. Sie ist ein hohes Gut. Die Personen-Freizügigkeit in der EU existiert auch, aber wird in der EU nicht unbeschränkt gewährt. Dies wird damit begründet, dass die Arbeitnehmer-Freizügigkeit ein Teil der 4 Grundfreiheiten des Binnenmarktes ist, dh. die Regeln des Wirtschaftraumes werden damit bestimmt. Die Armutsmigration gibt es als Begriff auf europäischer Ebene nicht. Selbst wenn der Begriff möglicherweise erfunden wurde, um eine mögliche Ursache für Migration zu beschreiben, wirkt er diskriminierend und abwertend. Dieses "Etikettieren" und damit Stigmatisieren lehnt die Linke ab. Jeder/m steht die Arbeitnehmer-Freizügigkeit und die Personen-Freizügigkeit in gleichem Maße zu, egal aus welchem Mitgliedsstaat er oder sie kommt.
Themen: Bildung

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Planen Sie die Reform der EU-Richtlinie 77/486/EWG von 1977 zur schulischen Betreuung von Kindern von Wanderarbeitnehmern? Werden Sie die Förderung kleinerer EU-Sprachen wie Bulgarisch unterstützen, auch wenn Elterninis eigenen Sprachunterricht organisieren und zu GeR-Sprachabschlüssen führen?
Am 06.10.2020 hat der EuGH entschieden (C-181/19), dass ein/e arbeitslos gewordene/r Wan­der­ar­bei­ter/in, der/die das Auf­ent­halts­recht auf­grund des Schul­be­suchs der Kin­der hat, nicht von der so­zia­len Grund­si­che­rung des Mitgliedslandes, indem er/sie beschäftigt war, aus­ge­schlos­sen wer­den kann. Diese Gleichbehandlung mit Inländern ist ein großer Schritt der Gleichbehandlung Beschäftigter mit Kindern, egal, woher sie herkommen. Die Förderung von kleinen & Minderheiten-Sprachen obliegt den Mitgliedstaaten. DIE LINKE unterstützt auch die Förderung durch die EU, zumal die Charta der Minderheitensprachen des Europarates auch Schritte des Schutzes auf EU-Ebene nahelegen. Überdies haben, insbesondere Bulgarisch & Griechisch eine bedeutende Europäische Geschichte, wie das Denkmal für die byzantinischen Gelehrten Method und Kyrill zeigt, das von katholischen Sorben in der zweisprachigen Lausitz im Jahr 2000 errichtet wurde. Diese Ehrung setzt auf das Europäische Zusammenwachsen von Sprachen und Religionen ohne dabei die Vielfalt einzuebnen. Die Verantwortlichkeit der EU zeigt sich nicht nur in der Sicherung des GeR für Abschlüsse, sondern auch in der Förderung von Spracherwerb und -verbreitung, die für kleine Sprachen 2022 mit 2.25 Mio Euro gefördert wurden. Pilotprojekte, Konferenzen, Materialaustausch, Datenbanken & Netzwerke sind der geeignete Weg, multisprachlichen und damit -kulturellen Alltag zu fördern und damit auch Rechtsaußen die rote Karte zu zeigen.

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Nach Neuburger (2021) schafft eine institutionelle Unbequemlichkeitskultur im Bildungs- und Schulbereich unattraktive Bedingungen für unerwünschte Zuwanderer aus EU-2-Ländern in Deutschland, was zu einem rekonstruierten Antiziganismus führt. Ihre Meinung? Geplante Maßnahmen?
Tobias Neuburger & Christian Hinrichs haben den institutionellen Antiziganismus in der kommunalen Praxis in Deutschland untersucht, insbesondere bei Arbeitsagenturen, aber auch im Bildungs- & Schulbereich. Der ohnehin vorhandene Angebotsmangel an Kita-Plätzen "führt im Zusammenhang mit wohnräumlicher Segregation […] zu einer Unterversorgung von als ‚Roma‘ gelabelten Familien mit Dienstleistungen der frühkindlichen Bildung“. Dieser Ausschluss wird durch „Sonderbehandlung“ und überproportionalen Förderbedarf fortgesetzt. Rumänische und bulgarische Staatsbürger*innen arbeiten oft in unterbezahlte Jobs und werden in eine Arbeit als Selbständige gedrängt . Die Linke hat auf diese Probleme schon seit Jahren im EU-Parlament aufmerksam gemacht. immerhin machen Roma, Sinti, Ashkali, Manouche, Traveler und andere 20 Millionen Menschen in der EU aus, denen bis heute eine menschenrechtliche Gleichstellung versagt bleibt, auch weil das Thema Rassismus in der EU-Roma-Rahmenstrategie nur am Rande vorkommt. "Sinti*zze und Rom*nja haben das Recht, die Freizügigkeitsregelungen überall in der EU in Anspruch zu nehmen. Diskriminierende Sonderregelungen müssen abgeschafft werden.", fordert deshalb Die Linke im Wahlprogramm.

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Wie werden Sie sicherstellen, dass ehrenamtliche Elterninitiativen bei EU-Förderungen für Erinnerungsveranstaltungen zur Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit berücksichtigt werden? Sie stehen oft im Wettbewerb mit professionellen Einrichtungen der politischen Bildung.
Um einen einfachen Zugang zu EU-Fördermitteln, auch im Bereich von Bildung, Kultur, Migration, Integration zu ermöglichen, hat Die Linke seit 10 Jahren eine eigene Fördermittelplattform www.eu-foerdermittel.eu mit immer aktuellen Calls, Erläuterungen von ersten Schritten, Tipp und Tricks geschaltet. Sie vermittelt wertvolles Wissen, wie auch kleine Projekte von der Idee zur Projektumsetzung gelangen können. In der Vergangenheit konnten wir auch zu einer weiterreichenden Fördermittelberatung vermittelt. Inzwischen haben wir viele aktuelle und wichtige Daten auch in unserer Handreichung EU und Kommunen zusammengefasst, die viele Förderdatenbanken, Ansprechpartner*innen & Fördermöglichkeiten auflistet https://www.dielinke-europa.eu/wp-content/uploads/kontext-import/documents/1/a/fc7198.pdf.

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Der Menschenrechtsrat der UN verabschiedete 2021 die Resolution 48/13 über „Sacrifice Zones“ - Orte, an denen Bewohner unter Gesundheitsrisiken und Menschenrechtsverletzungen aufgrund von Umweltverschmutzung leiden. Diese Problematik existiert auch in der EU. Welche Maßnahmen planen Sie?
Die Auswirkungen der globalen Erwärmung sind vielerorts auch in Europa zu spüren: Wir erleben häufiger verheerende Überflutungen wie die im Ahrtal, Dürren und Waldbrände nehmen zu. Selbst wenn die Erderwärmung auf 2 Grad begrenzt werden könnte, wird es mehr Starkregen, Hitzetage, längere Trockenzeiten und einen niedrigen Grundwasserspiegel geben. Mit zunehmender Klimaerwärmung müssen wir unsere Städte umbauen – die Hitze wird im Sommer unerträglich. Die EU muss die Städte und Kommunen dabei unterstützen, Klimaanpassungsmaßnahmen durchzuführen. Alle Städte und Kommunen sollen verpflichtet werden, Hitzeaktionspläne und Starkregengefahrenkarten zu erstellen. Pegelstandmessung und Hochwassermonitoring sollen europaweit auch kleine Flüsse, Ströme und Bäche umfassen. Die Länder des Globalen Südens sind von der Klima- und Umweltzerstörung besonders stark betroffen – und am wenigsten dafür verantwortlich. Der Klimawandel kann nur wirksam bekämpft werden, wenn alle Staaten ihren gerechten Beitrag leisten. Reparationsforderungen für klimabedingte Schäden müssen anerkannt werden. Wir setzen uns für eine schnelle und transparente Umsetzung des auf der COP27 beschlossenen Kompensationsfonds für Klimaschäden ein. Eine gerechte Lastenverteilung zwischen den Ländern des Nordens und des Südens muss sichergestellt werden.
Themen: Bildung

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Wie bewerten Sie die Einbindung von migrantischen Elternvertretern in EU-Gremien, um Fragen der Teilhabe und Integration aktiv mitzugestalten und regelmäßig anzuhören? Welchen Stellenwert hat die Beteiligung von Elterninitiativen in Ihren Augen?
Die Einbindung von migrantischen Elterninitiativen in EU-Gremien - wie auch in anderen politischen Gremien - ist von großer Bedeutung, da Eltern direkte Einblicke in die Bedürfnisse von Schüler*innen haben. Migrantischen Elterninitiativen bringen eigene Erfahrungen mit, die dazu beitragen können, bildungsbezogenen Herausforderungen besser zu meistern. Ihre Beteiligung stellt sicher, dass spezielle Anliegen von Kindern und Familien mit Migrationsgeschichte in der Bildungspolitik besser berücksichtigt werden und stärkt zudem die Legitimität von politischen Entscheidungen.
Themen: Bildung

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Wie bewerten Sie die Einführung von Ombudspersonen in der EU, die sich mit Fällen von institutioneller Diskriminierung, Klassismus und Antiziganismus gegenüber Schülern, Eltern und Elterninitiativen befassen würden?
Es gibt in der EU einen Ombudsmann (bzw. -frau), die für institutionelle Fälle von Diskriminerung für die Bereiche, für die die EU zuständig ist. Bisher fallen Bildung, Schulen, Schüler, Eltern und Elterninitiativen nicht unter die EU-Kompetenzen und selbst in Deutschland ist es Landes- und nicht Bundesrecht. Insofern würde es vermutlich mehr Sinn machen, Ombutspersonen auf Landes-Ebene einzuführen. Gleichbehandlung und der Kampf gegen soziale Ausgrenzung sind wichtige Zuständigkeiten der EU und hier geschieht einiges, z.B. gegen die soziale Ausgrenzung von Roma. Die Ausgrenzung aufgrund des sozio-ökonomischen Hintergrunds ist jedoch erfasst und eine Abgeordnete der Linken war z.B. für die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. Februar 2021 zu der Verringerung der Ungleichheiten mit besonderem Augenmerk auf der Erwerbstätigenarmut (2019/2188(INI)) verantwortlich.
Themen: Bildung